Luftkrieg

„Achtung! Primadonna meldet:

Feindliche Jagdbomber von Nordpol-Siegfried 7 nach Martha-Siegfried 6. Achtung! Feindtätigkeit im Raume Martha-Siegfried 5 bis Martha-Siegfried 6!“ So oder so ähnlich hätte die Durchsage von „Primadonna“ lauten können, wenn es wegen Viermünden eine Durchsage gegeben hätte. Wahrscheinlich hat es aber keine gegeben, wie auch Viermünden am folgenden Tage nicht im Wehrmachtsbericht genannt wurde. Der Sender Primadonna nahm irgendwann im Kriege seinen Betrieb auf. Er war nicht für die Bevölkerung bestimmt, aber gut zu empfangen. Seine Quadrateinteilung sprach sich nach und nach herum; sie wurde nie bekanntgegeben.

Der Luftkrieg am Anfang des Krieges

Am 3. September 1939 begann der zweite Weltkrieg. Von diesem Tage an mußte man mit feindlichen Luftangriffen rechnen. Darauf aufmerksam gemacht waren wir durch „Luftschutzmaßnahmen“: zahlreiche Vorträge, Entrümpelung der Dachböden, Bereitstellen von Wasser, Sand, Feuerpatschen und Luftschutz-Handspritzen auf den Dachböden. Zur Verdunkelung der Fenster waren Rahmen mit Verdunkelungspapier angefertigt und des öfteren ausprobiert worden. Nun mußten sie täglich abends hingestellt und morgens weggenommen werden. Es zeigte sich bald, daß Papier im Winter warmhält, denn dichte Fenster waren unbekannt, Isolierglas und Doppelfenster noch nicht üblich.

In der Luft blieb es zunächst ruhig. Viermünden und Umgebung hatten einen ersten Luftangriff nach dem Kriege gegen Frankreich im Nachsommer 1940. Mehrmals kreisten nachts englische Flugzeuge in der Gegend und warfen Leuchtschirme ab. Nach einigen Tagen wurden dann Sprengbomben geworfen. Eine fiel in die Viermündener Gemarkung: In Ritzes Wäldchen rechts am Wege nach Guntershausen. Zwei weitere Einschläge gab es in der Hadderzell und bei der oberen Butzmühle. Danach hatten wir lange Zeit Ruhe. Etwa 1941 fielen nachts in Marburg Bomben in das Klinikviertel. In Kassel wurde am 9. September 1941 das Museum Friedricianum bombardiert. Es enthielt damals die Landesbibliothek. Fast der gesamte Buchbestand wurde vernichtet.

Ab 1943 wurde es schlimmer

In der Nacht zum 17. Mai 1943 warfen englische viermotorige Bomber Spezialbomben auf die Sperrmauer am Edersee. Die Mauer brach und der randvolle Edersee lief zum großen Teil leer; es gab in den ederabwärts gelegenen Dörfern über 50 Tote. Am 22. Oktober 1943 fand in den späten Abendstunden der erste Großangriff auf Kassel statt. Besonders Brandbomben wurden auf die Innenstadt geworfen, die restlos zerstört wurde. Leuchtschirme und herabfließenden brennenden Phosphor konnte man von hier beobachten. Etwa zehntausend Menschen verloren dabei ihr Leben. Im November des gleichen Jahres flogen zum ersten Male am Tage feindliche Bomber durch unsere Gegend. Das nahm von nun an immer mehr zu, zunächst allmählich. Im Januar 1945 zählte man bereits an einem einzigen Vormittag Hunderte, im März schließlich über tausend viermotorige Bomber, die nach Mitteldeutschland flogen.

Die Jahre 1944/45

In der Nacht vom 24. zum 25. März 1944 stürzte ein viermotoriger englischer Bomber im Breitenbach ab. Er kam von Norden und wurde von deutschen Jägern beschossen. Er brannte bereits über Ederbringhausen, flog noch etwa bis Schreufa und dann in einer Linkskurve in den Breitenbach. Die Tragflächen lagen ausgebrannt auf dem Altenberg. Die Besatzung war tot. Am 25. September 1944 wurden erstmals in der Umgebung Züge von Jagdbombern beschossen, ein Zug bei Sarnau, ein anderer bei Lelbach-Rhena. Diese „Belästigungen“ durch Jabos nahmen nun mehr und mehr zu. Aber schon am 7. Oktober 1944 war Viermünden an der Reihe. Warum ausgerechnet Viermünden? Was wollten sie eigentlich treffen? Warum schossen sie in unser Dorf? Diese Fragen, schon viele Male gestellt, konnten auch an einem Dorfnachmittag zum 50. Jahrestage des Geschehens am Sonntag, dem 13. Oktober 1994 in unserem Dorfgemeinschaftshaus nicht geklärt werden. Aber viele Einwohner waren gekommen und berichteten über ihre Erlebnisse an diesem Tag. Was geschah denn eigentlich? Vormittags kurz vor 11 Uhr kamen aus Richtung Frankenberg wahrscheinlich vier englische Jagdbomber. Es waren einmotorige Propellermaschinen. Sie umkreisten hintereinander Viermünden und flogen dann aus Richtung Frankenberg wieder an. Sie warfen zuerst Sprengbomben in die Lache. Dabei wurde zweimal das Bahngleis getroffen. Einen großen Bombentrichter gab es noch auf Hessen Wiese am Mühlengraben. Eine weitere Bombe fiel oberhalb jenseits der Eder an das Ufer, und ein Blindgänger blieb diesseits der Eder an einem Weidenbusch hängen. Kleine Krater gab es noch in Hessen und in Wenden Wiese zwischen Eisenbahn und Wagenackersweg (heutige Südstraße). Dann aber schossen die Flugzeuge in das Dorf hinein. Ob alle geschossen haben, das ließ sich nicht mehr klären. Da mit Leuchtspur-Munition geschossen wurde, stand jede getroffene Scheune sofort in Flammen. Sieben Wohnhäuser und etwa doppelt so viele Scheunen und Ställe wurden ein Raub der Flammen. Wenn man die Erzählungen der Anwesenden aneinanderreiht, bekommt man einen Einblick, wie es damals zugegangen ist.

Augenzeugen berichten: Viermünden am 7. Oktober 1944

Anna Frank: Wir waren owen newwer, in der Nähe der Schreufschen Fabrik. Es gab Fliegeralarm, Verbände flogen, es gab Entwarnung. Da kamen vier Jäger durchs Edertal herunter. Adolf, meine Mutter und Herrmann liefen in Deckung. Unser Franzose lief in den Wald. Er wollte noch berichten, wenn wir tot wären, damit hatte er gerechnet. Wir fuhren nach Hause, unser Franzose lief am Wehr über die Eder. Mein Bruder Hermann lief voraus, kam zurück und berichtete, daß um die Kirche herum alles brenne. Da unsere Oma allein zu Hause war, beeilten wir uns. Auf der Ederbrücke kam die Feuerwehr hinter uns her. Ein Stück weiter begegneten uns Kühe. Im Dorf brachte Onkel Hannjost die brennende Dreschmaschine ganz allein die Straße herunter und fuhr bei Sewwers in den Weg hinein. Unsere Oma hatte alles gehört und war auf die Straße gelaufen. Wir waren froh, daß sie noch lebte. Unser Franzose hatte schon angefangen, Sachen zu retten.

Margret Grebe geb. Bender: Ich war sieben Jahre alt und spielte unter dem Birnbaum bei der Schmiede. Onkel Peter und Tante Änne wohnten bei uns. Tante Änne guckte oben im Fenster, meine Mutter unten. Die Flieger flogen schon, Tante Änne rief: Marie, komm rauf, hier oben siehst du’s noch besser. Dann begann der Angriff. Mein Vater kam aus der Schmiede. Wir alle erst mal nach oben. Meine vier Monate alte Schwester Doris wurde aus dem Bettchen geholt. Als wir an die Tür kamen, flog das Fenster herein auf das Bett. Oma kochte und backte Kuchen in der Küche. Sie machte uns die Tür auf zum Keller und ging dann wieder in die Küche. Im Keller sagte dann jemand: Wo ist denn die Oma? Nun wurde sie geholt. Als alles vorbei war, gingen wir wieder nach oben. Das ganze Haus war voller Lehmstaub. Bei Neischels brannte es lichterloh. Unser Haus hatte 32 Einschüsse. Ein Brand auf unserem Boden wurde schnell gelöscht.

Frau Lieselotte Scholl: Meine Schwester Margret und ich waren am Wagenackers Weg und machten Runkeln aus. Vier Flugzeuge kamen, kreisten bis zum Heinzemannskopf und wieder zurück Richtung Frankenberg, kamen dann wieder. Zwei Flugzeuge warfen Bomben, zwei andere schossen in das Dorf. Durch den Luftdruck war ich von unserem Acker auf den nächsten geflogen. Als ich wieder aufstehen konnte, war ich immer noch benommen. Ich wollte nach Hause, da kamen bei Töpels die Russen aus der Fabrik und ich bekam wieder Angst. Zu Hause angekommen, hatte meine Mutter Kühe und Schweine schon herausgelassen. Mein Vater und mein Bruder Gerhard waren auf dem Hachen am Säen und noch nicht zu Hause. Als ich in der Küche eine Tür in Richtung Scheune aufmachte, kamen mir die Flammen schon entgegen. Meine Mutter hatte einen Hefeteig gemacht, der lief am Tischbein runter durch die Küche. Unsere Mädchenschlafzimmer waren verbrannt mit allen Sachen. Wir besaßen nur das, was wir gerade trugen, auch unsere Pinnschuhe. Als es kalt wurde, trugen wir Handschuhe und klopften die Steine ab für den Aufbau. Gegessen wurde bei Hartmanns mit 17 Mann am Tisch.

Anni Liebmann geb. Hartmann: Ich war am Hachen mit unserem Franzosen. Als die Flieger kamen, hat er mich getröstet: Du nicht haben Angst. Als die Flieger weg waren, brannte es im Dorf. Der Franzose sagte: Warum du weinen, Dein Haus keine Bombe, Deine Mutter nicht kaputt. Unser Manfred lag in der Wiege. Meine Mutter hat ihn schnell herausgenommen. Kurz darauf ging ein Schuß durch die Wiege. Zwei Einschüsse waren auch in den Stall gegangen in das Mauerwerk.

Grete Pohl geb. Mütze: Meine Schwester Marie und ich fuhren mit unseren Kühen im Wagenackers Weg und sprachen mit Rohleders Mädchen. Dann gab es Fliegeralarm. Als wir vor dem Lanzenberg waren, kam der 1. Flieger und warf eine Bombe. Wir liefen in Deckung. Dann kam das 2. Flugzeug und warf eine Bombe. Das dritte Flugzeug hat dann in das Dorf geschossen.

Heinrich Dersch, Louisendorf: Der Fliegeralarm war abgeblasen in Frankenberg. Drei Jabos, englische, mit 2 Mann Besatzung kamen und schossen mit Maschinengewehren und Maschinenkanonen. Jeder warf eine Bombe. In Viermünden gab es später Streitereien wegen des Löschens.

Heinrich Grebe: Am Tage vorher kam ein Fieseler Storch.

Käte Kann geb. Hafer: Ich war bei Armands und wollte nach Hause, da kamen Flieger. Armands Fritz rief: Die schießen, komm, wir müssen in den Keller. Als es vorbei war, lief ich nach Hause. Mein Vater war krank und lag im Bett. Bei uns brannte es schon überall. In die Scheune waren 4 Brandbomben gegangen. Das Haus brannte etwas später. Wir trugen Sachen heraus bis nach Schäferchrists, dann auch in Kespers Garten. Da stand ein großer Kochtopf mit Gerstensuppe, die haben die Schweine gefressen.

Mariechen Klem (Vosses): Mein Schwager Karl war an der Westfront. Broserichs Heinrich, Bürgermeister, war mit meiner Schwester Lenchen vor der Hardt. Da hat der Heinrich gesagt: Im Dorfe brennst, ich muß nach Hause. Lenchen dachte, das könnte unsere Richtung sein, nahm die Ochsen und fuhr auch nach Hause. Dort brannte es. Die Mädchen hatten Sachen auf einen Schließkorb gelegt. Der Korb war leer und die Sachen flogen die Treppe herunter. Sie riefen: alle kriegen geholfen, nur wir nicht.

Karl Ruhwedel: Ich war 12 Jahre alt, war mit unserem Franzosen auf dem Schwarzen Stück mit 3 Kühen. Wir konnten die Flugzeuge anfliegen sehen. Ich würde sagen, es waren vier Flugzeuge, die immer wieder anflogen. Der Luftdruck der Bombe am Bahngleis ging bis dort oben hin. Als wir nach Hause kamen, brannte es überall. Wir hatten noch eine Kuh und zwei Rinder im Stall. Mein Bruder (6) und ich haben sie herausgeholt und weggebracht. Als wir zurückkamen, war das Haus zum größten Teil schon verbrannt. Meine Mutter hatte etwas Bettzeug und Kleidung gerettet, das war alles. Gelöscht wurde nichts. Unser Franzose war Schreiner und hatte mir einen 6teiligen Kaninchenstall gebaut. Ich brachte meine 28 Kaninchen in einem Korb in Manns Garten, aber ich habe davon nur einige wiederbekommen. Meine Schwester war 3 Jahre alt. Ihr leeres Bett wurde durchschossen.

Frieda Kruppa: Mein Vater kam nach Hause und dachte an die Dreschmaschine. Mit unserem und Hessen Pferd wurde sie samt den Keilen aus Schweenhenners Scheune herausgezogen. Ich war mit Schwester Elli auf der Maschine gewesen. Als die Flieger kamen, stürzten die Leute von oben an uns vorbei nach unten. Als wir auch unten waren, fielen Bomben.

Frau Schäfer (Wolfs): Ich war bei der Dreschmaschine im Bansen zum Rauswerfen. Wir hörten die Flieger kommen und kletterten die Leiter hinunter. Ich lief dann bis unter das Vordach von Schmieddehns Schmiede. Unser Walter ging noch in den Kindergarten. Meine Schwester stand mit ihm unter Sarters Vordach. Wir liefen dann zusammen nach Hause.

Frau Lina Bunzenthal: Mein Vater sagte: Leg Dich hin. Nach dem Schießen bin ich fort nach Hause. Wie der Vater mit den Pferden nach Hause gekommen ist, weiß ich nicht. Als ich zu Hause ankam, brannte es bei uns noch nicht. Ich ging in den Keller. Als ich herauskam, brannte Neischels Haus schon ganz. Unser Haus fing erst an zu brennen, als Wenzels Scheune zusammenstürzte. Wir haben dann die Kühe herausgejagt, einfach auf die Straße. Dann kamen Russen und retteten Sachen aus dem Haus. Sie wurden in die Kirche gebracht. Danach kam die Geismarsche Feuerwehr und löschte mit Jauche.

Lieschen Baumann (Löwen): Ich ging mit meiner Mutter in den Keller. Mein Vater war mit den Pferden auf dem Wagenacker. Nachdem die Bomben gefallen waren, fuhr er Richtung Dorf. Zwischen Rohleders und Vosses wartete er, bis die Flieger weg waren. Dann sagte er zum Karl-Heinz, der auch auf dem Wagen war: Hier müssen wir weg. Dann sah er schon, daß es unten im Hinterdorf brannte. Er kam nach Hause und rief: Mach dich darunter, im Hinterdorf brennts. Ich bin ins Hinterdorf, dann wieder nach Hause, um einen Schubkarren zu holen. Als ich mit dem Schubkarren von Schneiders zurückfahren wollte, stürzte Neischels Wand vor mich auf die Straße. Ich warf den Schubkarren zur Seite, lief zu Fuß weiter um Manuels Miste herum, weil an der anderen Seite Hafers Holzstall eine große Hitze verbreitete. Wir haben dann bei Schneiders gerettet, bei Hafers brannte alles, wie es weiterging, weiß ich nicht mehr.

Feuerwehrmann aus Geismar: Mit den Pferden fuhr ich Richtung alte Straße. Am Ortsrand gab es Fliegeralarm. 2 Jabos kamen, sie hatten keinen Stern, sondern Ringe, also Engländer, 3 oder 4 Flugzeuge, ich würde sagen 4, flogen im Sturzflug auf Viermünden. Ich stellte mich mit den Pferden unter einen Baum. Danach fuhr ich nach Hause. Dort hatte man unsere Spritze schon auf das Milchauto geladen, so daß wir sehr früh in Viermünden waren. Es war niemand da, der uns einwies. Jemand sprach von „Phosphor-Stabbrandbomben.“ Schließlich hat uns jemand zu Diehle geschickt. Dort haben wir den Stall mit Jauche gelöscht. Frau Theiß war in dieser Zeit in Geismar, dienstverpflichtet bei meinen Schwiegereltern. Es kamen Flieger, und da in Viermünden eine Fabrik und Eisenbahn waren, hatte man immer ein bißchen Angst. Da schrie jemand: Viermünden wird angegriffen. Wir rannten alle, um etwas zu sehen. Wir sahen nur, daß die Flieger unentwegt Richtung Viermünden flogen. Ich nahm ein Fahrrad, um nach Viermünden zu fahren. Als ich den Hainbach runter kam, sah ich schon die ersten Flammen von Viermünden. Ich fing an zu weinen. Als ich über die Ederbrücke kam, sah ich zwar Flammen und viel Rauch, aber wo es genau war, konnte man immer noch nicht erkennen. Ich fuhr zu meiner Mutter in der Nähe des Bahnhofs. Es hieß: ganz Viermünden brennt. Nun wußten wir, daß am Bahnhof ein Munitionszug abgeschoben war, der zwischen Viermünden und Ernsthausen hin- und hergeschoben wurde, damit er keinen festen Platz haben sollte. Wir hatten alle davon gehört, daß dieser unglückselige Munitionszug evtl. in Viermünden auf den Gleisen stände. Wie es nun wirklich war mit dem Zug, weiß ich auch nicht, aber es wurde geredet: wenn nun da eine Bombe drauffällt, sind wir alle verloren. Ich bin ins Hinterdorf gegangen. Überall brannte es. Dann hieß es: Alle Frauen zum Löschen. Wir haben bei Diehlen gelöscht. Am Mühlengraben haben wir Wasser in die Wagen gefüllt und dann in das Hinterdorf gefahren. Oschmanns Liesbeth schleppte unentwegt Wäschekörbe, das weiß ich noch. Es wurden auch unnötige Sachen geschleppt. Wir Frauen haben gelöscht bis zur Nacht rein. Ich weiß, daß ich vollkommen voll Eis (?) war.

Anna Salzmann: Mein Vater war mit den Pferden auf der Tränke. Er erzählte, zwei Flugzeuge hätten nacheinander Bomben geworfen, die auch explodiert seien. Ein drittes Flugzeug hätte eine Bombe geworfen, die nicht explodierte; dieses Flugzeug habe dann in das Dorf hinein geschossen. Den ganzen Nachmittag habe er Wasser gefahren vom Mühlengraben ins Hinterdorf.

Grete Pohl: Wir haben die Kühe ausgespannt und haben sie in den Vohnbach gebracht. Dann sind wir die Wiese hochgelaufen. Der ganze Winkel stand voller Russen, zu Hause auch in unserem Stall. Dann sind wir nach Schneiders gelaufen und haben mit den Eimern gelöscht. Das Wasser wurde am Hydranten geholt und die Treppen hinaufgereicht, weil oben der Dachstuhl brannte.

Karl Eckhardt: Ich war in Urlaub. Wir waren auf dem Hutzelgarten. 3 Flieger kamen über den Lanzenberg. Mein Vater sagte: Bring das Vieh in Sicherheit. Ich brachte die Kühe bei Neuschäfers vorbei nach Hause und folgte meinem Vater ins Hinterdorf. Mein Vater holte bei Hafers den Bullen aus dem Stalle und brachte ihn bei Gallen in den Stall. Dann haben wir bei Rohleders geholfen, das Vieh in den langen Garten zu bringen. Ein Rindchen haben wir bei uns zu Hause untergebracht. Zum Bomber im Breitenbach: Der Bomber wurde von einem Nachtjäger mit Leuchtspur abgeschossen, das habe ich gesehen

Karl Paulus: Wir waren Richtung Treisbach und säten Weizen. Wir sahen die Flugzeuge kreisen und haben uns erst nichts dabei gedacht Als dann geschossen wurde und wir den Rauch sahen, sagte mein Großvater: Wir müssen nach Hause. Als wir ins Hinterdorf kamen, waren bei Hafers und Schneiders die Scheunen schon zusammengestürzt. Aus unserem Stall war das Vieh schon herausgelassen. Es war in Hillen Stockwiese und Umgebung, wurde erst am nächsten Tag herausgesucht. Die Russen haben geholfen, Sachen aus den Häusern zu tragen. Sie waren sehr fleißig und vernünftig. Von dem Aufbau habe ich nichts mehr mitbekommen; ich wurde 14 Tage später eingezogen.

Lina Bunzenthal: Die Russen haben gerettet und kamen noch lange Zeit, um beim Aufräumen zu helfen. Für ihre Verpflegung kochten wir und Wissemanns große Töpfe voll. Sie haben nie etwas weggenommen.

Kespers Elisabeth: Ich habe das in Erinnerung, daß wir an dem Tag, als der Aufklärer flog, wo wir auf der Schreuferbachseite waren, daß da die Leute abends schon Sachen eingepackt und in den Keller gebracht haben, für den Fall, daß am anderen Tag was kam. Und so war’s dann auch.

Irmgard Isgen geb. Diehle: Wir rannten alle in den Stall, weil wir keinen Keller hatten. Unsere größte Sorge war: unser Heinrich war nicht da. Später stellte sich heraus, daß er bei Schneiders war. Mein Vater war an der Schreuferbachseite. Er kam bei Franks Feldscheune herunter, brachte die Pferde in Hillen Wiese und kam schnell nach Hause. Als er sah, daß es bei uns nicht brannte, lief er in die Nachbarschaft.

Heinrich Grebe: Bei uns hatte meine Mutter Branntsuppe gekocht. Sie stand aber abends noch auf dem Herd und hatte keinen Esser gefunden.

Anna Frank: Wir hatten Ruhwedels aufgenommen. Als wir essen wollten, war nichts zu finden. Da sagte jemand: Das Trinchen von Bottendorf, das hat das in einen Sack gestopft. Dann haben wir draußen herumgefragt: Hat niemand unser Fleisch und unsere Wurst gesehen? Jemand wußte: Der Sack hat bei Gerdmanns auf der Milchbank gestanden. Gerdmanns hatten den Sack aufgehoben, und wir hatten wieder etwas zu essen. Die Kühe sollten gemolken werden. Wir hatten auch Ruhwedels Kühe im Stall. Das Licht brannte nicht. Wir holten die Kühe zum Melken einzeln auf die Straße. Da war es hell genug, weil’s brannte. Eine sonst ganz zahme Kuh war so aufgeregt, daß sie mir die Milch aus dem Eimer getreten hat.

Alfred Pfingst: Ich war damals fast 9 Jahre. Es gab in Viermünden einen Kindergarten. Meine Schwester war dort Kindergärtnerin. Immer, wenn eine der beiden Kindergärtnerinnen fehlte, hat man mich gebeten, dort auszuhelfen. Es gab Fliegeralarm und die Kinder wurden in den Keller gebracht. Ich wollte nach Hause. Dann kam der Angriff, und ich suchte Schutz im Pfarrgarten. Ich konnte sehen, wie die Flugzeuge immer wieder anflogen. Wie viele es waren, weiß ich nicht, aber ich konnte die Hoheitszeichen genau erkennen. Als ich dann nach Hause kam, sah ich, daß Neischels Scheune schon brannte. Ich nahm meinen Voxterrier und ging zum Heinzemannskopf, wo sich viele Leute versteckten.

Heinrich Dersch, Louisendorf: Im Januar 1945 fielen Brandbomben und Sprengbomben vom Altenberg bis Breitenbach, bis zum Steinweg, zum Teil bis Lengelbach. Daß auch welche auf die Mühle gefallen sind, das war Zufall. Die Bäckerei war weg, das war das Allerschlimmste.

Marie Buttler: Die Brandbomben rasselten, die ganze Grohweide lag voll. Bei Meyers war eine aufs Dach gefallen, hatte aber nicht gezündet. Die Mühle brannte. Es war kein Wasser zu kriegen, das Eis soo dick. In die Mühle wurde gespritzt. Säcke usw. wurden nach uns in die Werkstatt gebracht. Der alte Mater war auch noch ins Wasser gefallen und zitterte.

Heinrich Grebe: Mehl aus der Mühle wurde in unserer Scheune gelagert und später nach und nach abgeholt.

Irmgard Isgen: Ich möchte noch zum 7. Oktober was sagen: Abends sind wir alle mit den „Klamotten“ ins Bett. Unser Heu war verbrannt, das Getreide wurde durch Wasser kalt gehalten. Als es Wochen später gedroschen wurde, kamen die nassen Körner auf den Boden. Etliche Wochen später brach nachts die Decke ein.

Wilhelm Isgen: Unser Kuchen war gebacken und es gab Fliegeralarm. Da sind wir nach Hause. Als wir zwischen Hillen und uns waren, fiel schon die erste Bombe. Wir sind in den Flur, meine Mutter und Anna. Anna wollte immer hinaus, weil Martha und Kurt im Kindergarten waren. Meine Mutter hielt sie zurück. Da fiel die zweite Bombe; ein Splitter davon flog bis vor unsere Haustür und wurde noch viele Jahre aufbewahrt. Ich würde sagen, es waren vier Flieger, von denen jeder eine Bombe geworfen hat.

Autor: Heinrich Battefeld