Ederbrücke

Seit mehr als tausend Jahre wohnen Leute in Viermünden. Sie hatten früher Probleme, wenn sie die Eder überqueren wollten. Das Edertal war in Längsrichtung nicht durch eine Straße erschlossen, da die Eder mal links und mal rechts direkt gegen den Berg floß. Aber es gab schon in der Frühzeit Äcker und Wiesen jenseits der Eder. Auch der Viermundsche Hof Breidenhain lag hinter dem Altenberg.

Zwei Landkarten aus den Jahren 1718 und 1724 zeigen uns das Edertal in der Nähe des Dorfes. 1718 ist noch die alte Mühle eingezeichnet, die Hermann von Viermund im Jahre 1536 hatte bauen lassen. Gleich unterhalb der heutigen Ederbrücke teilten sich Mühlengraben und Eder.

1722 wird der Kammerpräsident Johann Reinhard von Dalwigk neuer Lehnsinhaber des Gerichts Viermünden. Er läßt schon 1723 eine neue (die heutige) Mühle bauen, den Mühlengraben ausheben und ein neues Wehr, damals aus Holz, in die Eder bauen. Die Eder wird abwärts der heutigen Ederbrücke begradigt. Die Karte von 1724 zeigt bereits alle diese „Neuerungen.“

Am Überqueren der Eder hatten diese Veränderungen allerdings nichts verbessert. Die Bauern, die mit ihren Wagen auf die andere Ederseite mußten, fuhren durchs Wasser. Bei Hochwasser war das nicht möglich. Fahrten zum Wolfsgrund und zur Spannweide, bei denen die Eder zweimal durchquert werden mußte, konnten dann durch den landgräflichen Wald gemacht werden – nach jedesmaliger Zustimmung des Herrn Oberförsters! Einen gemeindeeigenen Weg am Wald entlang gab es nicht. Für Fußgänger wurde für den Sommer ein Steg über die Eder geschlagen, etwas oberhalb der heutigen Brücke. Natürlich war er wacklig, man nannte ihn „Schwippe.“

Wurde der Steg im Herbst abgenommen, dann blieb noch der Kahn. Schon 1792 hören wir, daß das alte „Schiff“ nicht mehr brauchbar ist. Es will aber auch niemand einen neuen Kahn bezahlen. Man kommt auf die Idee, wie in vielen Fällen noch heute, den Fährdienst zu „privatisieren“ und eine Gebühr zu erheben. Dagegen beschweren sich die Gemeinden Louisendorf und Ellershausen: Die Fähre in Viermünden sei immer kostenlos gewesen und müsse es auch bleiben. Es ist aber wohl nicht so geblieben, denn Peter Grebe berichtet uns, daß im vorigen Jahrhundert 5 Pfennig zu zahlen waren.

Der Steg über die Eder

Was das Abnehmen und Aufstellen des Steges kostete, erfahren wir genau aus den Belegen zur Gemeinderechnung von 1866, die noch bei unserem Ortsvorsteher vorhanden sind. Für die Ederbrücke 1866 abzunehmen und die Gerätschaften an Ort und Stelle zu bringen erhält Peter Wissemann 25 Silbergroschen. 7 ½ Silbergroschen werden gezahlt an Heinrich Rohleder für das Schiff heraus zu fahren mit zwei Pferden. Für das Aufstellen der Brücke 1867 erhalten Daniel Oschmann und Consorten (das sind Johann Kesper und Justus Stahl) 4 Reichsthaler 17 Silbergroschen 6 Heller. Der Betrag schließt ein: 4 neue Brückenböcke, 10 Stück Tannen-Stangen gehauen und Fuhrlohn, eine alte Leiter repariert, 12 Sprossen hineingemacht, 3 Fichtenstangen durch die Mitte aufgeschnitten zur Lehne, 10 Stück Scheebe neu gemacht und Fuhrlohn. Außerdem erhalten noch Daniel Oschmann 3 Reichsthaler für 5 Stück Buchendielen a 18 Fuß lang; Conrad Isgen 8 Silbergroschen für 8 neue Böcke; der Erheber Kahl 8 Silbergroschen für Boden anzufahren; Joh. Kesper (er selbst schreibt seinen Namen mit ä) 2 Reichsthaler für 2 neue Leitern, Stangen und Pfähle. – Eine Einweihungsfeier scheint es nicht gegeben zu haben; jedenfalls hat sich die Gemeinde nicht an den Kosten beteiligt!

Die Eder

Die Eder war schon zur Römerzeit bekannt; sie hieß damals „Adrana“, was soviel bedeutet wie „Schnellfließende“. Von ihrer Quelle bis zur Vereinigung mit der Fulda hat sie 400 Meter Gefalle und eine Länge bis zur Talsperre von über 90 km.

Der Ederlauf von der Einmündung der Nuhne bis zur Mündung des Hüstenbachs war von altersher die Grenze des Gerichts­hofs Viermünden. Die Eder führte immer klares, weiches Wasser. Deshalb bleich­ten die Frauen das gesponnene Leinen und die Wäsche am Mühl­graben. Die Anlieger der Eder mußten früher dafür sorgen, daß die Ufer in Ordnung gehalten wurden. Das Fischereirecht hatte jedoch das landgräfliche Gut. Heute hat der Kreis das Fischereirecht.

Die Eder ist ein Gewässer mit Fischreichtum; früher gab es sogar Lachse in der Eder. So wird berichtet, daß das Kloster Haina 1347 aus seinem zur Burg Hessenstein gehörenden Fisch­wasser 34 Lachse erhielt. 1532  fing man dort 7 Lachse im Ge­wicht von 120 Pfund. Bei Battenberg waren es im gleichen Jahr 8 Lachse mit 64,5 Pfund, bei Frankenberg 4 Stück. 1847 wurden bei Frankenberg 23, bei Bringhausen 3 und bei Schreufa in der Nuhne 5 Lachse gefangen. Erst die Erhöhung der Wasserwehre, insbesondere des Wehres in Hameln hat dem Lachsfang ein Ende gesetzt. Heute gibt es wegen der  Umweltverschmutzung überhaupt keine Lachse mehr in Deutschland.

Die Wasserverschmutzung der Eder ist aber auch heute nur minimal. Die Eder hat noch immer einen artenreichen Fischbestand, z.B. Hechte, Äschen, Aale, Forellen, Karpfen und alle möglichen Weiß­fischarten. Es gibt nur wenige Krankheiten.

In Frankenberg wurde allerdings 1979 Gerberlohe beim Abriß einer Gerberei in die Eder gelassen. Dadurch entstand durch die Wasser­verschmutzung ein Schaden von 130000 DM für den Bereich des Sportfischervereins Frankenberg. Viele Fische starben.

Fast in jedem Jahr führt die Eder nach der Schneeschmelze Hoch­wasser. Früher war das nur für die Mühle gefährlich, weil diese direkt am Mühlengraben liegt. Heute könnte es im Notfall auch für die Bewohner der Großweide gefährlich werden. Die Gemeinde hatte 1846 und 1848 durch Hochwasser so große Schäden, daß trotz Beihilfe noch ein Darlehen von 4000 DM aufgenommen werden mußte.

Im Jahre 1821 wurde der Ederlauf vom Hermannsholz bis zum Wehr begradigt zur Trockenlegung der Wiesen und als Schutz gegen Hochwasser. Dabei mußten die Viermündener, Schreuf’schen und Oberorker Frondienste leisten und die Frauen trugen den Kies auf den Köpfen weg.

Die Ederstraße

Ein Fortschritt im Edertal war die Ederstraße. Ab 1873 wurde sie zwischen Schmittlotheim und dem Hainbach gebaut und damit eine Verbindung zwischen Frankenberg und Korbach hergestellt. Als im Jahre 1869 die Planung dieser Straße bekannt wurde, beschwerten sich die Gemeinden Ederbringhausen und Viermünden bei der Regierung in Kassel, weil die Straße jenseits der Eder gebaut werden sollte. Davon hatte man nichts, oder man mußte teure Ederbrücken bauen! Die Regierung stellte für später Brücken in Aussicht.

Peter Grebe schreibt zur neuen Ederstraße: Die Fußgänger gingen im Sommer über das alte Stangenwehr der Eder durch die Samtwiesen oder über den Edersteg. Weil die Eder unter dem Kahlen Berge unmittelbar an die Felsen stieß, benutzten die Leute den Weg auf halber Höhe des Berges, der heute noch (1961) gangbar ist. Etwa in Höhe der Wiese von Gloren schwenkte er in die Wiesen als Pfad ab. Meine Großmutter erzählte mir, sie hätten in der Lache Heu gemacht. Da wäre der Pfarrer Heldmann vorbei gekommen und habe meinem Großvater gesagt: „Herr Grebe, wir bekommen eine neue Straße, sie geht unter dem Kahlen Berge her.“ Mein Großvater hätte geantwortet: „Herr Pfarrer, das kann ich nicht glauben. Wie wollen die den Berg herab hacken!“ Aber die Straße kam.

Was hatte unser Pfarrer mit der neuen Straße zu tun? Irgendwo stand einmal der Satz: Die Ederstraße wurde von 1873 bis 1875 gebaut, nicht zuletzt auf Betreiben des damaligen Pfarrers Heldmann in Viermünden. So war das also.

Nun fehlten noch die Ederbrücken. Ederbringhausen bekam sie zuerst. Allerdings war es nur eine schmale Brücke, deren Fahrbahn mit Bohlen belegt war. Sie wurde im Jahre 1952 erneuert.

Endlich eine Ederbrücke

Angeblich wurde der Gemeinde Viermünden eine Ederbrücke versprochen, wenn man zuvor die Gemarkung verkoppeln ließe. Der landgräfliche Gutshof war daran interessiert; viele Bauern fürchteten eine hohe Verschuldung. Verkoppelt wurde 1892/93.

Nun brauchte man nur noch das Geld für die Ederbrücke. Den Löwenanteil besorgte Landrat Riesch aus dem Westfonds in Höhe von 36000 Mark. Der Landgraf in Philippsruhe, Besitzer des Gutshofes und des Hofes Treisbach, bewilligte zunächst 5000 Mark. Auf nochmalige Bitte erhoffte sich die Gemeinde eine Erhöhung auf 7500 Mark, aber man hatte es gerade wieder einmal mit dem „hohen Herrn“ verdorben und erhielt insgesamt nur 6000 Mark. Auch die Steine für die Brücke lieferte der Landgraf nicht kostenlos aus der Mühlseite, und die Gemeinde legte dorthin keinen Weg auf ihre Kosten an. Man kaufte die Steine von der Stadt Frankenberg aus der Fröhlichen Seite und konnte sie von dort gut auf der neuen Ederstraße fahren. Aber die Bauern, die zum Wolfsgrund und zur Spannweide fahren mußten, warteten noch bis zum Jahre 1900 auf diesen Weg.

Ursprünglich war geplant, die Dorfstraße ab Gutshof in gerader Richtung über die Grohweide zu verlängern und dort die Brücke vor den Kahlen Berg zu bauen. Das scheiterte am Einspruch des Müllers Louis Mater und einiger Vorsichtiger, die meinten, man könne sich unter dem Kahlen Berge nicht richtig drehen.

Die Brücke wurde ganz aus Bruchsteinen hergestellt, aber nur so breit, daß es für ein Fuhrwerk reichte. Ein schmaler Bürgersteig kam auf jede Seite. Für die damalige und auch für spätere Zeiten war sie vollständig ausreichend. Die Mühlengrabenbrücke wurde mitgebaut. Über den Bauverlauf berichtet das „Kreisblatt“, der Vorläufer der Frankenberger Zeitung. Am 26. April lesen wir, daß der Bau rüstige Fortschritte macht. Der erste Pfeiler ist über dem Wasser sichtbar. Die Gründung war schwierig wegen des Wassers, das durch eine Dampfmaschine laufend abgepumpt werden muß. Am 1. August sind die Pfeilerbogen vollständig hergestellt. Am 21. September wurde die Brücke „ausgerüstet“. Die vier großen Lehrgerüste wurden durch die Arbeiter in kaum einer Stunde losgelöst (vermutlich abgesenkt, wie es die Abbildung 39 zeigt). Die Ausgabe vom 4. Oktober gibt die Einweihung der Brücke am 7. Oktober bekannt und verweist auf den Anzeigenteil.

Die Einweihung: Ein großes Fest

An diesem 7. Oktober 1894 fand in Viermünden ein großes Fest statt. Es begann um 1 Uhr mit einer kirchlichen Feier. Um 2 Uhr setzte sich der Festzug in Bewegung mit Vorreiter, Festcomitee, örtlicher Gesangverein und die sonstigen Teilnehmer. Pünktlich um 3 Uhr trafen Landrat Riesch und Bauinspektor Herrmann an der Brücke ein. Es folgten Reden, Hochrufe und ein Gedichtvortrag durch den Bauer Louis Fackiner. Anschließend gab es Volksfest mit Tanz, Spiele der Schulkinder und Karussellfahrten. Der Gutshof in Viermünden zahlt 30 Mark als Beitrag zum Brückenfest.

Verbreiterung der Brücke

73 Jahre taten Ederbrücke und Mühlengraben-brücke ihren Dienst. Dann waren sie für den neuzeitlichen Verkehr zu schmal geworden. Nun sollte noch ein Manöver-Panzer einen Riß in einem der vier Bögen verursacht haben. Das gab den Anlaß, die Brücke zu verbreitern. Die Firma Walter in Geismar trug das Brückenoberteil ab, so daß nur die vier Bögen (heute drei) frei in der Luft standen. Die Seitenteile wurden aufgemauert und bekamen als verbreiterte Fahrbahn und breite Bürgersteige Beton-Fertigteile und ein neuzeitliches Geländer. So hatten wir eine schicke Ederbrücke und Mühlengrabenbrücke.

Mit mehr Autos gab es auch weniger Romantik. Die Gänse wurden nicht mehr auf der Grohweide gehütet, die Pferde nicht mehr am Sonntagmorgen im Pferdeloch in der Eder gewaschen.

Warum diese schöne Ederbrücke nach 21 Jahren schon wieder fast abgerissen werden mußte, weiß ich nicht zu sagen, weil es niemals in der Zeitung stand. Sie wurde wieder so aufgebaut, wie sie war. Man vergaß dabei nur die Mühlgrabenbrücke.

Trotzdem erfüllen unsere heutigen Brücken alle Bedürfnisse. Niemand fährt noch durch die Eder, niemand ruft noch „Hol über.“ Ob man Viermünden heute auch bei einem starken Hochwasser erreichen könnte – dazu müßte man dieses Hochwasser erst einmal haben! Im Februar 1946 war es zum letzten Male „richtig“ hoch. Da konnte man die Ederbrücke nicht mehr erreichen. Auch in den Kriegsjahren hatte es mehrmals starkes Hochwasser gegeben. Nun sagen viele Leute: Solches Hochwasser kann es heute nicht mehr geben! Hoffen wir es!

Autor: Heinrich Battefeld