Hof Hermannsberg

Althergebrachter Besitz der Herren von Viermund

In der heimatgeschichtlichen Forschung und Literatur wird der Hof Hermannsberg öfter genannt. Vor allem sind es die immer wieder umstrittenen Besitzverhältnisse, die in der Geschichtsschreibung unserer Heimat behandelt werden. Unmittelbare Nachrichten über den Hof sowie die dort ansässigen und arbeitenden Menschen und seine eigentliche Bewirtschaftung sind jedoch verhältnismäßig spärlich. Diesen Themen ein wenig nachzuspüren und die Geschichte des Hofes Hermannsberg einmal in einem größeren Zusammenhang darzustellen, war das Anliegen dieses Beitrages. Dabei konnte weitestgehend auf vorhandene Quellen zurückgegriffen werden, es haben sich aber im Verlauf der Nachforschungen auch einige neue und interessante Aspekte ergeben, die in den Beitrag mit aufgenommen wurden.

Der Hof Hermannsberg, früher Ermelsberg genannt, gehört mit zu dem ältesten Besitz der Herren von Viermund. Verschiedene Urkunden des 13. Jahrhunderts (1260, 1264, 1265, 1266 und 1281) benennen die Herren von Viermund. Deren Geschlecht besaß in alter Zeit im Dorfe vier große, später geteilte, allodiale Höfe sowie die weiteren wüsten benachbarten Erbhöfe:

  • Breidenhain auf der Höhe zwischen Geismar und Louisendorf,
  • Ermegersberg oder Ermelsberg, später Hermannsberg genannt, zwischen Viermünden und Sachsenberg, endlich
  • Guntershausen zwischen Schreufa und Sachsenberg

sowie weitere Waldungen, so die Hardt, Altenberg, Hüstengrund und Faulebett. Die von Viermund waren das alte, freie, grundbesitzende Geschlecht des Dorfes.

Aufgabe möglicherweise: Sicherung der alten Höhenstraße nach Norden

Dies sind die ersten urkundlich nachweisbaren Nachrichten über den Besitz derer von Viermund. Wir dürfen aber davon ausgehen, daß es den uns hier besonders interessierenden Hof Ermelsberg ebenfalls schon lange Zeit davor gegeben hat. Dessen früheste Anfänge zu ermitteln, dürfte recht schwierig sein. Es ist aber durchaus möglich, daß es, wie Prof. Dr. Hans Grebe „Ein Königshof“ vermutet, eine erste Siedlung auf dem Hermannsberg in unmittelbarer Nähe zum sächsischen Gebiet schon zur Zeit eines fränkischen Königshofs in Viermünden während der Auseinandersetzungen mit den Sachsen gegeben hat.

Wenn dies so wäre, dann hätte der Hof Ermelsberg im Zusammenspiel mit dem Viermündener Hofgut in frühester Zeit (also etwa im 8./9. Jahrhundert) sehr wahrscheinlich auch zur Sicherung der alten Höhenstraße (Wynstraße) für den fränkischen Vormarsch nach Norden gedient.

Gericht Viermünden

Die Gerichtsherren der alten Königsgerichte führten den Titel „Vogt“. In Viermünden werden 1220 zum ersten Mal die dem freien Adel entstammenden Herren von Keseberg als Gerichtsherren und Vögte genannt, die das Gericht dann 1324 an die von Hohenfels abgaben, von denen es dann im 14. und 15. Jahrhundert in den Besitz der Familien von Viermund und von Dersch überging. Seit 1575 hatten die Landgrafen von Hessen die Lehnshoheit über das ganze Gericht erreicht, 1588 konnten sie den Viermund’schen Anteil und nach dem Aussterben derer von Dersch 1717 auch deren Anteil erwerben.

Zum Gerichtsbezirk gehörten neben Viermünden als Hauptort noch Schreufa, Oberorke, der Hof Treisbach und die wüsten Höfe Hermannsberg, Guntershausen und Breidenhain, vorübergehend auch noch Ellershausen und Hommershausen.

Dankbarkeit gegenüber den Erzbischöfen von Köln, Sitz der v. Viermunds in Hallenberg, später auf Nordenbeck

Die Viermunds als die althergebrachten Eigentümer des Hofes Hermannsberg waren Burgmänner zu Hallenberg, wohnten also dort und waren als solche mit arnsbergischen und kurkölnischen Gütern belehnt. Sie standen im Dienste der Erzbischöfe von Köln. Diese kölnischen Burglehen begründeten den späteren Wohlstand und das Ansehen des Geschlechts. Noch im 16. Jahrhundert gedenken die Nachkommen dankbar dieser „Gnadenerweisungen der Erzbischöfe von Cöln“. Erst sehr viel später begaben sich die von Viermunds in ein Vasallenverhältnis zum hessischen Landgrafen, da Viermünden, wie schon erwähnt, ein altes Königsgut war.

Im Jahre 1341 vermählte sich Kurt I. von Viermünden in zweiter Ehe mit Kunigunde von Nordenbeck. Daraufhin verlegten 1352 die Viermunds ihren Wohnsitz von Hallenberg nach Nordenbeck bei Korbach und mehrten von dort aus ihre Besitzungen. So erwarb Kurt (auch Konrad) von Viermünden gemeinsam mit seinem Schwiegervater Ambrosius von Nordenbeck das halbe Gericht Viermünden. Deshalb werden in den späteren Grundbüchern und Zinslagerbüchern die im Ort belegenen 4 Höfe als „Nordenbecksche“ oder „Viermundsche“ Güter benannt, die bis zur Verkoppelung 1892 teils geschlossen von den Familien Rohleder, Battenfeld, Isgen oder in Teile zerfallen von vielen Familien wie Wissemann, Maurer, Hartmann, Diehle, Thiele, Kesper, Mater usw. bewirtschaftet wurden.

Wechselnde Besitzverhältnisse nehmen ihren Anfang, Hof Ermelsberg nahezu 150 Jahre wüst

Erschwerte Besitzverhältnisse für Hof Hermannsberg traten im 14. Jahrhundert dadurch ein, daß Dietrich II. von Viermund 1369 ohne Zustimmung seiner Verwandten die ihm gehörende Hälfte der Höfe Breidenhain und Ermelsberg nebst dem dazugehörigen Grundbesitz an die Lichtenfelser Burgmänner Dietrich von Schlierbach und Dietrich Nymmes zu Lichtenfels veräußerte. Die beiden Herren kümmerten sich wenig um ihre Pfandschaft. Nachdem beide Höfe im Sternerkrieg 1372 wüst geworden waren, bemächtigten sich nun auch die Einwohner von Sachsenberg, Viermünden und Schreufa des Grundbesitzes von Hof Ermelsberg. Im Jahre 1410 kamen die von Dalwigk als Nachfolger im Pfandlehen des Schlosses Lichtenfels schließlich ebenfalls in den Besitz von Ermelsberg, ohne jedoch etwas zu dessen Wiederaufbau zu tun. Erst rund 150 Jahre später, nämlich im Jahre 1524 kümmerte sich ein Viermund wieder um den Besitz seiner Vorfahren. Es war Philipp I. von Viermund, der 1524 die früheren Besitzungen dann einlöste. Ganz ohne Schwierigkeiten ging dieser Vorgang jedoch nicht ab, denn die Beurkundung dieser Ablösung konnte erst am 9. Dezember 1549 geschehen, weil zwischen den Viermündener Gerichtsherren von Viermund und von Dersch Streit entstanden war. Dieser hatte eine alte Vorgeschichte. Nach mancherlei Verträgen derer von Dersch mit den von Hohenfels kaufte mit Genehmigung des Landgrafen Heinrich III. Heinrich von Dersch das halbe Gericht Viermünden unter den üblichen Vorbehalten, die Landgraf Wilhelm III. 1490 für seine Nachfolger erhob, von Widekind von Hohenfels. 1487 verlegte Heinrich von Dersch seinen Wohnsitz von Battenberg nach Viermünden. Weder die von Hohenfels noch die von Dersch hatten bis dahin einen Rittersitz in Viermünden gehabt, ebenso wenig die von Viermund. Letztere wohnten seit 1352 in Nordenbeck. Die erste Hälfte des Gerichts Viermünden hatte 1341 der Ritter Konrad von Viermünden von Widekind und Kraft von Hohenfels erworben und sich vom Grafen von Nassau damit belehnen lassen. Beide Herren, die von Dersch und von Viermund, besaßen das Gericht ungeteilt und nutzten die Gerichtsbußen, Zehnten, Trifthämmel, Mühlenpächte und die westlichen Waldungen gemeinsam. Jeder hatte einen Schultheißen.

Die gemeinsamen Rechts- und Besitzverhältnisse führten bei der Begehrlichkeit der Dersch, die sich auf die unklar gehaltenen Lehn- und Pfandbriefe stützten, zu dem Zerwürfnis beider Familien. Der Bruder Philipps von Viermund war ein Verschwender, deshalb versuchten die Dersch sofort, die andere Hälfte an sich zu bringen.

Hermann von Viermund macht den Hof zum Rittersitz

Zunächst aber ging es mit dem Hof Ermelsberg aufwärts. Nach Philipps Tod machte sein Sohn Hermann den Hermannsberg wieder kulturfähig, erbaute ein Wohn- und Pfortenhaus mit Scheune und Schafstall, machte ihn zu einem Rittersitz und nannte den Ermelsberg nunmehr Hermannsberg. Hermann von Viermund (1501-1563) war Amtmann zu Medebach und Drost zu Dringenberg. Er besaß weit verstreute Ländereien, die er von seiner Burg Nordenbeck aus verwaltete. Besonders aber muß er sich um den Hermannsberg gekümmert haben, denn als ihm 1547 ein Sturm den Bau umwarf, errichtete er ihn aufs Neue, umgab den Hof mit Wallgraben, Gärten und Teichen und vergrößerte die landwirtschaftliche Nutzfläche um den Erwerb von Rottwiesen im Reckelsgrund, was nun die Haltung einer großen Schafherde ermöglichte. Die Schäferei auf Hermannsberg hat offensichtlich Tradition gehabt, denn im Kirchenbuch von Viermünden finden wir Jahre 1714 den Heiratseintrag des „Johan Conrad Blatte, Schäfer zum Hermannsberg, mit Anna Gertraut, Henrich Mogs Tochter, Mayer auf dem Hermannsberg“.

Spannungen entstehen

Die von Viermund hatten seither für die Dienste Dienstgeld genommen. Hermann von Viermund forderte nun auch die Dienste in Natur, übte auch die Jagd in den Sammtwaldungen aus. Die Dersch hatten sie seither allein gehabt und den halben Ertrag nach Nordenbeck abgeführt. Durch die Maßnahmen des neuen Herrn fühlten sich die Dersch in der Jagd und die Bauern in der Hute beeinträchtigt. Johann von Dersch, von dem später noch einmal die Rede sein wird, reizte die Bauern gegen Hermann auf, verweigerte die Mühlenrente und machte überall Schwierigkeiten. Hermann von Viermund klagte bei dem hessischen Hofgericht und brachte böse Dinge gegen Johann von Dersch vor. Die Justiz jener Zeit hatte keine große Eile, Hermann griff zur Gewalt. Er rückte den Dersch vors Haus, schmähte, jagte mit Hunden, hieb einen jungen Wald nieder und belud 26 Wagen damit (16. Oktober 1561). Aber die Dalwigks kamen den Dersch zu Hilfe und Hermann mußte fliehen.

Älteste Darstellung des Hofes auf Karten des 16. Jahrhunderts

Im ausgehenden 16. Jahrhundert finden wir den Hof auf vielen alten hessischen und waldeckschen Karten eingetragen. So auch in einer der ältesten Landkarten Waldecks des Korbacher Kartographen Justus Moers aus dem Jahr 1575, die sich im Korbacher Museum befindet. Sie zeigt auch die südlich angrenzenden hessischen Gebiete und damit auch den Rittersitz Hof Hermannsberg. Viermünden wird als VIRMONT bezeichnet. Auf einer vertikalen Randleiste finden sich unterhalb des Waldecker Wappens 32 Adelswappen der waldeckschen Ritterschaft, obenan das derer von Viermund, die auf Nordenbeck saßen und 1450 auch einen Burgsitz auf dem Eisenberg innehatten. Von Nordenbeck aus verwalteten sie ihre bedeutenden Besitzungen und Pfandschaften im hessisch-waldeckisch-kurkölnischen Grenzraum und Bladenhorst. Über das Amt Medebach und die Freigrafschaft Züschen organisierten sie einen eigenen Güterkomplex. Damit waren die von Viermund eine der mächtigsten Adelsfamilien in Westfalen und Hessen. Diese Tatsache rechtfertigt deshalb auch die bevorzugte Darstellung des Wappens der Viermunds in dieser sehr frühen Karte Waldecks. (Karte im Museum Korbachs)

Hermann von Viermund stirbt 1563

Auf Hof Hermannsberg wohnte ständig der Bruder von Hermann, Johann von Viermund (der Ältere). Hermann von Viermund kam aber des Öfteren von Nordenbeck zur Jagd zu seinem Rittersitz. An der positiven Entwicklung seines Hermannsberges hat er sich aber nicht lange freuen können, denn 1563 starb Hermann von Viermund ganz plötzlich, ohne ein Testament aufgesetzt zu haben. Er wurde im Korbacher Franziskanerkloster begraben, wo 1884 bei Bauarbeiten sein Grab gefunden wurde. Eine Grabplatte aus Stein zeigt ihn in voller Rüstung. Sie befindet sich heute im Korbacher Museum.

Er hinterließ außer seiner ebenbürtigen Tochter Anna (geb. 1538) aus einer weiteren Ehe einen unebenbürtigen Sohn Adrian von Viermund. Seine Kinder, sowie die Söhne seines ebenfalls inzwischen verstorbenen Bruders Johann. Philipp II., Arnold und Johann der Jüngere wurden alle protestantisch. Da nach dem damaligen Recht nur männliche Angehörige erben konnten, waren die drei Söhne seines verstorbenen Bruders Johann, erbberechtigt. Der Tochter Anna stand lediglich eine standesgemäße Abfindung zu. Hermann von Viermunds Neffen, Johanns Söhne, nahmen alsbald vom Hause Nordenbeck und dessen Gütern in Hessen, Waldeck und Westfalen Besitz. Johann d.J. nahm seinen Sitz auf dem Hof Hermannsberg bei Viermünden.

Erster (handgreiflicher) Erbschaftsstreit auf Nordenbeck

Um ihre väterliche Hinterlassenschaft zu behaupten, vermählte sich Anna von Viermund im gleichen Jahr (19. Dezember 1563) mit dem Grafen Heinrich zu Waldeck, einem Sohn des regierenden Grafen Philipp IV. . Als Gräfin von Waldeck konnte sie auf Beistand in dem Streit mit ihren Vettern rechnen. Diese boten ihr 10000 Täler als Abfindung, die sie aber empört ablehnte! Sie wollte sich nicht behandeln lassen, als wenn sie ihrer Eltern ebenbürtiges Kind nicht wäre.

Etwas anders lesen sich die Gründe für die Eheschließung Annas mit dem Grafen Heinrich zu Waldeck in ihrer Lebensbeschreibung, die in der Kirche zu Nieder-Ense zu finden ist. Danach wollten die Viermündener Verwandten den Familienbesitz für sich gewinnen. Ein Stiefneffe des Vaters hält um die Hand Annas an, wird aber abgewiesen.

Hermann von Viermündt, ihr Vater, stirbt am Karfreitag 1563. Drängend wirbt wieder ihr Stiefcousin um ihre Hand, aber Anna wartet auf die ersehnte Rückkehr des Grafen Heinrich von Waldeck, dem sie zur Ehe versprochen ist. Im November 1563 kehrt dieser aus Frankreich heim, wo er mit seinen Kriegsleuten unter erheblichen Verlusten für die dort bedrängten Evangelischen gekämpft hat. Weihnachten 1563 heiratet die 25jährige Heinrich von Waldeck und zieht zu ihm auf die Naumburg.

Obwohl ihre Vettern nach dem Tode Hermanns sogleich von Nordenbeck und allen Gütern Besitz genommen hatten, blieb Anna bis zu ihrer Verheiratung mit dem Grafen Heinrich zu Waldeck in Nordenbeck und weigerte sich, die für den Erbstreit wichtigen Urkunden herauszugeben. Am Heiligabend 1563 kam es deswegen sogar zu einer Prügelei. Als der Vetter Arnold die Briefkammer gewaltsam öffnen wollte, verteidigten Anna und ihre Mägde diese erfolgreich mit Knütteln und Bettstangen, wobei Anna ein Ärmel und das Halstuch vom Leibe gerissen wurden.

Johann von Viermund d.J., einer der drei Vettern Annas, der auf Hermannsberg wohnte, war bei diesem nicht geglückten Überfall auf die Briefkammer von Nordenbeck nicht zugegen. Als er kurz darauf zurückkehrte, erneuerten die Brüder in der Nacht des 3. Christtages den Angriff auf das Archiv der Viermunds mit besserem Erfolg. Johann schaffte zwei Wagen mit Urkunden und Silbergeschirr über die paderbornsche Grenze nach Dringenberg, dessen Verwalter Jörg mit seiner Schwester verheiratet war.

Landgraf schaltet sich ein, Teilsiege Annas vor dem Reichskammergericht

In diesen sich immer mehr ausweitenden Erbschaftsstreit schaltete sich Landgraf Philipp von Hessen ein. Er war bemüht, beide Teile zu vergleichen. Er verfügte schließlich, daß Nordenbeck im gemeinsamen Besitz der Vettern und ihrer Base bleiben sollte.

Da aber diese Lösung für Anna unannehmbar war, und ein Teil des Besitzes in anderer Herren Gebiet lag, klagte diese nun vor dem Reichskammergericht zu Speyer auf Herausgabe des gesamten Erbes.

Johann von Viermund, der erste Protestant seines Geschlechts

Schauen wir aber zunächst auf die weiteren Geschehnisse in Viermünden selbst, ehe wir den Ausgang des Erbschaftsprozesses weiter verfolgen. Johann von Viermund hatte nach dem Tode seines Onkels Hermann den Rittersitz inne. Er war ein gebildeter Mann, hatte die hohen Schulen besucht und war auch der erste Protestant seines Geschlechts. Abraham Sauer, der Frankenberger Kandidat und spätere Hofgerichtsadvokat, berichtet: Seine Brüder sagen von ihm, daß er von Jugend auf ehrbar gelebt, fleißig studiert, Gottes Wort gern gehört und gelesen, sich aufrichtig gegen jedermann, freundlich und gutherzig gegen die Armen erzeigt habe und zu nichts weniger, als zu Zank geneigt gewesen sei; dagegen nennt ihn Johann von Dersch neidisch und zanksüchtig und berichtet, er sei ihm einmal mit 5 Knechten drohend vors Haus gerückt.

Streit zwischen von Viermund und von Dersch dauert fort, Mord an Johann von Viermund

Bei den bestehenden Spannungen zwischen beiden Geschlechtern war mit weiteren Zusammenstößen zu rechnen. Johann hielt sich zwar ziemlich zurück, wurde aber doch Opfer einer folgenschweren Auseinandersetzung, der sich nach Erledigung von Rechtsgeschäften in Frankenberg am 15. November 1564 auf dem Heimweg auf der Straße nach Schreufa zwischen ihm, seinen Begleitern und Dersch und dessen Leuten entwickelte. Dabei kam es auch zum Schußwaffengebrauch.

Zunächst war der Junker Johann von Dersch schweigend an Johann von Viermund und seinem Lakaien vorbeigeritten. Da habe, so berichten die Brüder von Viermund, das Pferd Johanns von Viermund hinterher traben wollen. Der Versuch, das Pferd zu zügeln, sei nicht gelungen, es bäumte sich vielmehr auf und machte einige Seitensprünge. Dadurch habe sich die Büchse im Halfter Johanns entladen. Der Schuß habe den eigenen Diener Truthaus durch den Stiefel in den rechten Fuß getroffen. Auf den Knall der Büchse kehrt Johann von Dersch, der schon 20 Schritte Vorsprung hatte, mit den Seinen zurück. Truthaus reitet dem Dersch entgegen und ruft ihm zu: „Junker, der Schuß ist nicht auf Euch geschehen, ich bin selbst durch den Fuß geschossen.“ Darauf, so sagt der Diener aus, hätten Dersch und sein Trupp von allen Seiten auf den Junker von Viermund und ihn, den Diener, gerannt und losgeschossen; es seien ungefähr 8 Schüsse gefallen; Johann von Viermund wurde schwer verwundet.

Der sterbende Johann von Viermund verzeiht

Der Viermündener Pfarrer August Heldmann (1868-1880) schildert in seiner grundlegenden Darstellung dieses Vorfalls viele Details und läßt uns an dem Geschehen auf lebendige Weise teilnehmen. An dieser Stelle gehen wir auf den Schluß der Geschichte etwas näher ein: Der verwundete Viermund wurde auf einem Karren nach Frankenberg in des Rentmeisters Heinrich Kraushain Wohnung gebracht und abends zwischen 8 und 9 Uhr in Beisein der Hofgerichtsräte Lic. Mathias von Waldmannshausen und Lic. Fischer, sowie der beiden Geistlichen und zweier Scheffen durch den Marburger Rentmeister Joh. Salfeld verhört. Dieser fragt ihn: ob er ihn kenne; Johann: er sei der Rentmeister. Wer ihm Schaden getan; Antwort: er wisse nicht, wer es getan. Der Rentmeister drängt ihn, den Täter zu nennen, damit niemand unschuldig in Verdacht komme. Antwort: er wolle niemand nennen. Ob er dem Täter verzeihen wolle; Antwort: er habe dem, der es getan, von Herzen verziehen. Der Rentmeister dringt nochmals in ihn, den Täter zu nennen. Antwort: er wolle es nicht sagen. Zum vierten Male gefragt, antwortet er: er wolle es nicht tun, und das fünfte Mal: er wisse es nicht, andere Leute wüßten es, er wolle es nicht sagen. Darauf muß ihn der Pfarrer Casp. Tholde anreden: ob er ihn kenne; Antwort: er sei der Pfarrherr. Ob er nicht das Nachtmahl des Herrn nehmen wolle; Johann antwortet: crede et manducasti (Anm.: Er bejaht die Frage des Pfarrers mit der lat. Antwort „glaube und esse“). Ob er auch dem Täter verzeihen wolle; Antwort: ja, von Grund seines Herzens und allen anderen, die ihm Leids getan; er wolle es Gott, seinem Erlöser und Heiland, befehlen. Der Körper, welchen zwei Barbiere und Wundärzte, Kasp. Mulner und Simon Jost im Beisein des Bürgermeisters Andr. Ludwig und zweier Scheffen, Joh. Emmerich und Heinr. Gebelnhausen, untersuchten, zeigte nur eine Schußwunde, sonst weder Hieb, noch Stich. Der Schuß war auf der linken Seite neben dem Rückgrat hinein und auf der rechten Seite des Nabels herausgegangen. Die Kugel, welche noch vorn in der Wunde lag, wurde mit einem Instrument herausgeholt. Abends 10 Uhr starb Johann und wurde Tags nachher unter Teilnahme etlicher vom Adel, vieler Doktoren, Magister und Professoren der Universität, der Beamten, des Rats und einer großen Volksmenge in die Liebfrauenkirche zu Frankenberg begraben. Sein Grabstein verkündigte der Nachwelt sein blutiges Ende in einer für Dersch nicht sehr ehrenvollen Weise (Heldmann). Der Stein ist heute nicht mehr vorhanden.

Weiterer Prozeßverlauf

Anna von Viermund werden wiederholt die geforderten Güter zugesprochen. So trifft z.B. im Jahre 1580 das Reichskammergericht in Speyer die Entscheidung, daß Arnold von Viermund, der nach dem Tode Johanns den Hermannsberg innehat, diesen nun an Anna mit dem 1. Januar 1581 abtreten muß. Das galt auch für das halbe Haus Nordenbeck mit allen Zubehörungen, d.h. das halbe Gericht Viermünden, die 4 Höfe und den schon genannten Hof Hermannsberg.

Zum Dank gegen Gott für diesen Obsieg richtet Anna seit Ostern 1581 auf ihre Kosten in der geraume Zeit wüsten und unbenutzten Kapelle zu Nordenbeck eine Freitagspredigt durch den Pastor zu Niederense ein.

Hof Hermannsberg geht nach Prozeßgewinn endgültig an Anna von Viermund

Anna war mit dem Teilerfolg von 1581 jedoch nicht zufrieden. Auch die unterlegenen Vettern prozessierten in einem Revisionsverfahren weiter. Hierzu wurde zunächst eine umfangreiche Erfassung und Sichtung der Viermund’schen Urkunden vorgenommen. Diese große Urkundensammlung ist als das „Nordenbeckische Rotulum documentorum transsumptorum von 1581“ in die Familiengeschichte eingegangen. Eine fachlich hochkarätig besetzte Kommission (17 Personen) erledigte in vierwöchiger Arbeit den ihr erteilten Auftrag. Sechs Jahre später, also 1587, wurde der Prozeß gewonnen.

Graf Heinrich zu Waldeck, der Kriegsdienste leistete, starb 1577 nach einem Unfall. Als Gräfin-Witwe reiste Anna selbst nach Speyer, um ihren Prozeß zu beschleunigen. Dort lernte sie den Gerichtspräsidenten Kuno von Winnenberg kennen, den sie 1583 heiratete. Im Ehevertrag mußte sie ihm alle elterlichen Güter und Ansprüche abtreten.

Nach dem für Anna erfolgreichen Abschluß des Prozesses vor dem Reichskammergericht im Jahre 1587 mußten ihre Vettern alle besetzten Güter herausgeben und hohe Entschädigungen zahlen. Anna und ihr jetziger Eheherr Kuno von Winnenberg haben dann auf Grund der Entscheidungen des Reichskammergerichts die Unterlegenen von Viermund „ausgezogen und ausgesogen“, wie Heldmann feststellt.

Tod und Beerdigung Annas von Viermünden, letzter Versuch der v. Viermunds, das Erbe für sich zu retten

Schon 1594 ließ Anna ihr Grabmal von dem Bildhauer Andreas Herber aus Kassel anfertigen und in der Kirche zu, Nieder-Ense aufstellen. Sie kniet dort im Mittelfeld einer figürlich aus dem Bild herauswachsenden Darstellung vor dem Gekreuzigten. Eine lange Spruchinschrift berichtet über den Prozeß gegen ihre Vettern. Anna läßt ihr Grabmal deshalb noch zu ihren Lebzeiten bauen, um zu verhindern, daß in die Steine „Menschenlob hineingebildet wird.“ Anna von Winnenberg und Beilstein, verwitwete Gräfin zu Waldeck, geborene Freifrau von Viermund stirbt am 16. April 1599 ganz unversehens und wird am 20. April in der Kirche zu Nieder-Ense beigesetzt. Zur Beerdigung erschienen auch ihre Verwandten. Als der Leichenzug sich von Nordenbeck aus in Bewegung setzte, blieben einige Ritter zurück und versteckten sich im Turm der Burg. Kuno von Winnenberg verließ darauf den Leichenzug und kehrte in die Burg zurück, weil er die Besitzergreifung der Burg befürchten mußte. Da die Besatzer sich weigerten, den Turm zu verlassen, ließ er sie durch seine Diener „glimpflich und gelinde“ herausbringen und vors Tor tragen, „wobei dieselben wie“ Kletten aneinander gehangen.

Das war der letzte Versuch derer von Viermünden, die Güter ihrer Vorfahren zu behaupten. Da auch die Ehe Annas mit Kuno von Winnenberg kinderlos blieb, erbten er und seine Verwandten den großen Besitz, der über die von Braunsberg und von Bourscheid schließlich 1826 durch Kauf an die Familie Canisius kam, die heute noch Eigentümer von Nordenbeck ist.

Johann von Dersch

Blicken wir noch einmal nach Viermünden und betrachten nun etwas die schillernde Figur des Johann von Dersch. Er hatte sich schon vor seiner Mordtat an Johann von Viermund mehrere Verbrechen zu schulden kommen lassen: Er hatte den Diener des viermündenschen Schultheißen erstochen, den Schultheißen selbst in den Turm geworfen, um Geld von ihm zu erpressen, einige Sachsenberger Grundstücke am Daumberge sich unberechtigter Weise angeeignet und mit sechs Pferden die Feldfrüchte daselbst niedergeritten usw.

Es wurde nun die Mordacht über den Raubritter verhängt; er mußte seine Viermündener Besitzungen verlassen, die seine Brüder übernahmen. Ruhelos, von seinem Gewissen geplagt, flüchtete er, zog von einem Wohnsitz zum andern, meist lebte er in Neustadt a.d. Hardt. Er erschien auch, trotz mehrfacher Einladung und Terminverlegung, nicht zu seiner Gerichtsverhandlung. Er starb 1590.

Sage vom unruhigen Raubritter von Dersch

Adolf Böhle erzählt in seinem Buch „Sachsenberg – Geschichte und Sage“ an dieser Stelle die auch in Viermünden früher in dieser oder ähnlicher Form weitergegebene Geschichte: Wie die Sage erzählt, fand dieser Raubritter auch nach seinem Tode keine Ruhe; sein Geist war in den Teufelskeller, die Stätte seiner letzten Mordtat, verbannt. Jede Nacht um 12 Uhr mußte er von hier aus einen mit Rappen bespannten Wagen, auf dem ein großer gläserner Sarg stand, an die Orte fahren, wo er seine Verbrechen und strafbaren Handlungen begangen hatte. Zuerst kam er an die Stelle, wo er den Johann von Viermünden ermordet hatte. Dort mußte er absteigen und eine zeitlang kniend büßend verharren. Von hier aus ging die Fahrt nach der höchsten Stelle hinter der Weidmannshelle, wo damals der Gericht Viermünden gehörige Galgen stand; daselbst mußte er wieder absteigen und für seine vielen Viermündener Verbrechen kniend büßen; dann mußte er weiter zum Hermannsberg fahren. Dort empfingen und verfolgten ihn die von ihm getöteten Hunde. Jeder, der dies mitternächtliche Hundegebell vernahm, glaubte, die Meute des wilden Jägers zu hören. Vom Hermannsberge mußte er wegen seiner Sachsenberger Grenzvergehen zur Kreuzeiche fahren. Da er sich bei Lebzeiten der Strafe für seine Grenzvergehen zu entziehen gewußt hatte, so mußte er nun nach seinem Tode dafür büßen, indem er jede Nacht in der Geisterstunde dreimal die Kreuzeiche umkreisen mußte. Gegen 1 Uhr durfte der Raubritter wieder zu seinem Verbannungsort, dem Teufelskeller, zurückfahren. Während der ganzen Fahrt umschwebte den Wagen ein kleines Totenlicht, das sich in den Seitenflächen des Glassarges wiederspiegelte. Gar viele Wanderer, die zur Mitternachtszeit die Wege Sachsenberg – Viermünden und Orke – Schreufa gehen mußten, wurden durch das Lichterspiel getäuscht; sie glaubten Lichter von den vorgenannten Ortschaften zu sehen, kamen vom richtigen Wege ab und irrten dann stundenlang in den umliegenden Wäldern umher.

So weit Adolf Böhle in seinem Sachsenberger Heimatbuch. Die Viermündener Variante dieser Sage spricht davon, daß am Hermannsberg nachts eine gläserne Chaise mit einem Kutscher ohne Kopf fährt… .

Streit wegen der Jagd, Landgraf schließt Vergleich

Der Hermannsberg wird 1570 von einem viermündenschen Schultheiß bewohnt. Der Streit zwischen denen von Dersch und von Viermund, der sich seit dem Wiederaufbau des Hermannsberges und dem Erscheinen Hermanns von Viermund im Gericht Viermünden entwickelte, setzte sich auch nach der Flucht Johann von Derschs weiter fort. Schon drei Tage danach bedrohten seine Brüder Volpert und Georg von Dersch den viermündenschen Schultheiß auf dem Hermannsberg, sich zur Verhütung weiteren Unglücks der Jagd zu enthalten. Als 1570 der Jäger auf Hermannsberg zur Hochzeit der Haushälterin des Statthalters von Cramm aus Gefälligkeit des Hofrichters Arnold von Viermünden gegen Cramm einen Hasen gefangen hatte, beschwerte sich Georg von Dersch darüber, ebenso über die Zwangsverwaltung durch den Landgrafen, weil er und sein Bruder Volpert nicht an der Mordtat beteiligt gewesen seien. Georg benahm sich sehr widerspenstig gegen die Obrigkeit, erging sich in gehässigen Ausfällen gegen den Statthalter und seine Räte, beanspruchte die Jagd im ganzen Gericht und erhob die alten Klagen wegen des Wiederaufbaus des Hermannsberges, bis endlich 1575 das Hofgericht zwischen Dersischen und Viermundschen Besitz klar schied.

Ebenso kommt es zu einem Vergleich zwischen Landgraf Ludwig IV. und Graf Johann von Nassau über die Rechte der Viermündener Grundherren.

Landgraf stellt die vier Erbhöfe und den Hermannsberg unter Zwangsverwaltung

Landgraf Ludwig IV., der den positiven Ausgang des Prozesses der Anna von Viermund vor dem Reichskammergericht in Speyer (1587) nicht hatte verhindern können, aber die von Winnenburg die Früchte desselben nicht genießen lassen wollte, schritt nun unverzüglich zur Tat und zog das halbe Gericht Viermünden, die 4 Höfe, den Hermannsberg und die Waldungen der von Viermund ein. Er wollte der Anna und ihrem „fremden“ Gemahl kein Pertinenzstück in Hessen einräumen. Der Fürst ließ alsbald vom Gericht Besitz ergreifen und sequestrierte (stellte unter Zwangsverwaltung) durch den Rentmeister zu Frankenberg wegen Rückstandes der 1582er Türkensteuer auch die 4 Erbhöfe und den Hof Hermannsberg. Der Schultheiß Joh. Günste zu Frankenberg verbot unter Glockenschlag den Einwohnern und Meiern zu Viermünden Gefälle (Grundstücksabgaben) und dem Müller die Pachtfrucht den Winnenbergs zu entrichten, er setzte auf dem Hermannsberg einen Förster ein, verbot jede Waldnutzung zu Viermünden und Breidenhain. Erst 1607 gibt Landgraf Moritz den Hermannsberg wieder frei. Die Wälder wurden aber vom Landgrafen behalten.

Kuno von Winnenberg beginnt die „Hermannsberger Erbprozesse“

Als Anna von Viermund 1599 verstorben war, sah sich Kuno von Winnenberg gezwungen, seinerseits das ihm nun zugefallene große Erbe zu verteidigen. Das begann, wie schon berichtet, beim dem Begräbnis seiner Frau und setzte sich mit nicht weniger als 10 Prozessen in dieser Sache fort. Anna von Viermund, Freifrau von Winnenberg, hatte 1589 in ihrem Testament den Hermannsberg ihrem Halbbruder Adrian von Viermund und nach dessen Tode dem von ihr gestifteten Hospital von Nordenbeck vermacht. Der Hof kam aber nicht an das Hospital, sondern wurde durch eine vor seinem Tode (1616) widerrechtlich gemachte testamentarische Verfügung seinem Neffen Dietrich von Braunsberg zugewandt und damit ein Zubehör von Nordenbeck. Die übrigen Stämme derer von Viermund erkannten aber Adrians Testament nicht an und so wollten die Brüder Adrians durch den Notar Pfannkuch von Sachsenberg am 21. Januar 1618 Besitz vom Hermannsberg ergreifen lassen. Doch war ihnen Dietrich von Braunsberg durch Pfannkuch schon zuvorgekommen. Dieser gewann vor der Kanzlei zu Marburg den Prozeß.

Der Sachsenberger „Pfannkuchen“

Von der Zeit an ruhte kein Segen mehr auf dem Hofe Hermannsberg, wie der Sachsenberger Heimatforscher Adolf Böhle unter der viel sagenden Überschrift: „Die Hermannsberger Erbprozesse und der Sachsenberger Pfannkuchen“ in seinem Heimatbuch „Sachsenberg – Geschichte und Sage“ im Jahre 1920 schreibt (Zitate in Auszügen): Mit dem Hofe Hermannsberg ging es, wie das Sprichwort sagt: „Unrecht Gut gedeihet nicht.“ Bei den beschriebenen Erbprozessen um den Rittersitz und Hof Hermannsberg hatte weder der eine noch der andere Beteiligte bleibenden Vorteil erzielt. Es war so gekommen, wie’s im Sprichwort heißt: „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte.“ Der Sachsenberger Notar Pfannkuch hatte sein Schäfchen dabei geschoren. Wie die Sage erzählt, hatte er außer den vielen Anwaltsgebühren, die ihm für die geführten Prozesse zustanden, noch einen weiteren großen Geldbetrag von Dietrich von Braunsberg als besondere Belohnung bekommen. Pfannkuch wollte das Geld in der damaligen Kriegszeit (Dreißigjähriger Krieg), wo häufig Plünderungen vorkamen, nicht gern selbst aufbewahren, und da sich zu der Zeit keine passende Gelegenheit bot, es in einer sicheren Kasse verzinslich anzulegen, entschloß er sich, Grundstücke dafür zu kaufen. Zufällig war gerade ein großes Stück Ackerland in einer der besten Feldlagen Sachsenbergs verkäuflich, das er für sein erhaltenes Prozeßgeld erwarb. Die Sachsenberger sagten darüber scherzweise: „Unser Notar Pfannkuch hat sich bei den Hermannsberger Erbprozessen einen schönen, großen „Pfannkuchen“ (gutes Ackerland) verdient.“ Die betreffende Feldmark wurde seitdem der „Pfannkuchen“ genannt, wie sie wohl auch heute noch heißt.

Bemühungen der westfälischen Nachkommen um das Erbe der Viermunds

Trotz der zu Gunsten der von Winnenberg’schen Erben ausgegangenen Marburger Entscheidung gab es immer wieder Versuche der weiblichen Abkommen der Viermunds zu Bladenhorst, von Ossenbruch und Romberg, an den Hof Hermannsberg heranzukommen. Der von den Ossenbruchs beauftragte Notar, Adolf Maurmann, „findet bei der Apprehendirung (also Ergreifung, Sicherung) am 20. Februar 1642 den Hof verderbt, wüste und öde“, schreibt der Viermünder Pfarrer August Heldmann 1897.

Wenige Jahre nach Beginn des Dreißigjährigen Krieges hatte der Tillysche Oberst Johann von Viermund-Neersen, der mit seinem Regiment in Korbach und Nordenbeck lag, den Hermannsberg und die Erbhöfe ebenfalls „apprehendieren“ lassen. Mitgeteilt ist uns dafür das Datum des 13. Dezember 1624. Johann von Viermund-Neersen bemühte sich wiederholt darum, die ehemals viermundschen Besitzungen für die wieder Familie von Viermund zurück zu erlangen, doch der große Krieg führt ihn bald wieder weit weg von den Gütern seiner Vorvorfahren.

Die Witwe Dietrich von Braunsbergs ergriff, um den Hof zu verpachten, am 25. Januar 1626 aufs Neue durch einen Notar Besitz.

Hof Hermannsberg im Dreißigjährigen Krieg

Doch der Dreißigjährige Krieg spielte dem Hof Hermannsberg übel mit. Immer wieder gab es Überfälle mit Plünderung und Ausraubung. Hans Philipp von Dersch als Gerichtsherr berichtet am 20. März 1632 an die Regierung in Marburg, ein Johannes Wolf aus Bringhausen im Amt Hessenstein, also Ederbringhausen, habe kaiserliche Soldaten überreden können, den Hof Hermannsberg zu überfallen und auszurauben. Dersch schreibt: „Johannes Wolf zu Bringhausen habe etliche Soldaten machen lassen einen Anschlag uf den im Gericht Viermünden gelegenen Hof Hermannsberg, sie überredet, der Hof stehe Hessen oder den Ederschen nicht zu, sondern Cöln, druff seien sie hingewandert mit ihm und den Hof ganz spoliren helfen, also daß sie alles Vieh ahn Pferden, Rindern, Schafen und alles mobiliar hinweg genommen, daran er Johannes Wolff auch wirklich participiret hat“. Dersch geht es in erster Linie darum, die Aburteilung des Johannes Wolf zu erreichen, die vor ihm als Gerichtsherr stattfinden solle, nicht aber im Amt Frankenberg.

In demselben Jahr wird der Hof Hermannsberg erneut ausgeraubt und geplündert. Der dortige Meier Claus Holstein berichtet von einem Überfall Waldecker Untertanen auf den Hof: „1 weiß Hengstpferd vor 20 Reichstaler, 104 Schafe, 4 Kühe, 2 Rinder, einen kupfernen Kessel, 12 Eimer, alles Hausgerät abgenommen, auch meinen Knecht in eine Hand gestochen, hernach den gesamten Raub mit sich nach Albertshausen genommen und verteilet.“ Holstein beklagt seinen Schaden, wendet sich an die Marburger Regierung, damit diese doch Waldeck um Schadenersatz bitte. Seiner Bitte wurde wohl entsprochen, denn es ist bekannt, daß die Grafen von Waldeck die Täter bestraften. Oberst von Böninghausen verheerte mit seinen Einfällen jahrelang die Gegend, so wird diesen Überfällen auch zugeschrieben, daß der Hof Hermannsberg etwa um 1635 wüst geworden ist und es bis Ende des Krieges und wohl auch darüber hinaus blieb.

Fünf Jahrzehnte lang kein Leben auf Hermannsberg, notdürftiger Wiederaufbau 1686 Eigentums- und  Nutzungsverhältnisse bleiben umstritten

Erst 1686 richtete Felix von Rollshausen (ein Erbe des Dietrich von Braunsberg) die Gebäude wieder notdürftig auf. Im Kirchenbuch von Viermünden findet sich hierzu eine erste Nachricht über den Verwalter des Hofes. Am 22. Dezember 1686 „ist Georgen Baumanns Hofmanns auf dem Hermannsberg Söhnlein Johan Manuel getauft worden. Gevattern waren Manuel Deichmanns Hofsmann Sohn auf dem Dreisbach, und Anna Martha, Johann Conrads Tochter von Sachßenberg“.

Am 23. November 1693 gibt Felix von Rollshausen den Hof für jährlich 20 Thaler und einen fetten Hammel an den Bürger Dietrich Stöber zu Frankenberg in Erbleihe. Dazu berichtet Peter Grebe: Auf Betreiben Philipp Wilhelm von Dersch reute ihn dieser Schritt. Als Stöber Besitz erreifen wollte, legte Dersch vier Mann auf den Hof, dessen Grundstücke er an sich genommen hatte, um die Besitznahme zu hindern. Er hatte Rollshausen vorgemacht, ein adeliges Gut dürfe nicht in bürgerliche Hände kommen. Aber Stöber ließ sich nicht einschüchtern. Der Oberschultheiß zu Frankenberg stellte ihm einen Korporal und 6 Landsoldaten zur Verfügung, die den Hermannsberg besetzten. Dersch zog seine vier Mann zurück, worauf die Musketiere wieder abmarschierten. Im Februar kam der Hof wieder unter Zwangsverwaltung und wurde vom 1. März ab wieder militärisch besetzt. Ende März verglichen sich Dersch und Stöber; Dersch zahlte 400 Thaler Abstand, worauf die Zwangsverwaltung aufgehoben wurde. Der Hof wurde an einen Meier verpachtet.

Die Besitzverhältnisse blieben jedoch weiterhin umstritten. Nach Adolf Böhle hat Philipp Wilhelm von Dersch im selben Jahr den Hof durch List und Ränke als Lehen an sich gebracht. Er hat sich aber daran nicht lange erfreuen können; er starb schon 1702, und obwohl er 16 Kinder hatte (9 Söhne und 7 Töchter), starben alle seine Söhne in der Blüte der Jugend, so daß schon 1717 sein Mannesstamm erloschen war. Sei letzter Sohn starb am 27. Juni 1717 infolge eines Sturzes vom Pferd, den er im Nuhnefluss bei Schreufa erlitten, unweit der Stelle, wo im Jahre 1564 ein Angehöriger seines Stammes, der berüchtigte Raubritter Johann von Dersch den Johann von Viermund ermordet hatte.

Landgraf zieht den Hermannsberg an sich und setzt Pächter ein, 18. Jahrhundert: Ära der Pächterfamilie Pluns

Nach dem Aussterben der von Dersch prüfte eine Kommission die Dersischen Besitzverhältnisse und erklärte am 28. Juli 1718 den Hermannsberg für „heimgefallen“, auch die Kirche machte durch den Pfarrer Joh. Kasp. Schwaner Ansprüche auf 1 Meste Aschhafer und 6 Albus Pfingstgeld vom Hermannsberg geltend. Landgraf Karl findet darauf die Dersischen Erben ab und zahlt für den Hermannsberg und den Zehnten zu Sachsenberg 8000 Thaler. Für den Hermannsberg übernehmen die Vormünder der dersischen Töchter keine Gewähr, weil ihnen die Viermundschen Ansprüche nicht unbekannt sind. Sie verkaufen deshalb 1719, ohne Rücksicht auf die bis dahin noch immer geltend gemachten Ansprüche der Herren von Viermund und des Hospitals zu Nordenbeck, den Hof Hermannsberg an den Landgrafen von Hessen. Letzterer setzte Pächter dort ein. Aus einem „Anschlag der Güter Viermünden und Hermannsberg und des Zehnten zu Viermünden“ aus dem Jahr 1719 ergibt sich, daß „von diesem laufenden 1719ten Jahr von dem Meyer zu Hermannsberg“ 6 Reichsthaler in Geld und an „Zehendfrüchten“ von dem „Guth Hermannsberg“ an Korn und Hafer je 20 Möth „vom Frankenberger Maaß“ zu leisten sind. Und noch eine Anmerkung zum Jahr 1719: Landgraf Karl überließ in diesem Jahr die dersische Hälfte des Gerichts seiner Maitresse, der Marquise de Langalerie; diese verzichtet jedoch bereits 1722 auf dieses Lehen. Am 27. März 1720 wurden die Einwohner von Viermünden durch die Glocke zur Huldigung zusammengerufen und am Nachmittag wurde vom Hermannsberg Besitz ergriffen und der Meier Johann Jost Mog verpflichtet. Die Familie Mog muß aber schon vorher auf Hermannsberg gewohnt und gearbeitet haben, denn das Kirchenbuch läßt uns wissen, daß „Johannes Mog auf dem Hermannsberg“ als Gevatter bei der Taufe von Jacob Mog, einem Sohn seines Bruders Jost Mog, am Pfingstmontag des Jahres 1717 aufgetreten ist.

Um diese Zeit (1722-1737) ging die Dersische Hälfte des Hermannsbergs in den Besitz des Kammerpräsidenten Joh. Reinhard von Dalwigk über. Das Lehen fiel jedoch 1740 heim und wurde Staatsdomäne, damit war Hermannsberg vollständig in der Hand des Landgrafen.

Die Hofverwaltung oblag weiterhin den Pächtern. Als „Meyer auf Hermannsberg“ begegnet uns im Viermündener Kirchenbuch Hermann Schween, sein und der Name seiner Ehefrau Anna Guida sind im Taufregister der Jahre 1730 und 1734 überliefert.

Jedoch wird im 18. Jahrhundert sowohl das Viermündener Gut als auch der Hof Hermannsberg weitestgehend von der Pächterfamilie Pluns bewirtschaftet. In den Registern der Kirchenbücher von Viermünden finden wir wiederholt den Namen der Familie Pluns. So sind in den Taufregistern von 1737, 1739 und 1743 Kinder des Verwalters Henrich Christian Pluns verzeichnet. 1757 nennt das Taufregister Johann Friedrich Pluns als „zeitigen Conductor“. Ihm wird am 7. Juni 1759 eine Tochter geboren. Dieses Kind erhielt nach der nicht ganz vollständig überlieferten Taufbucheintragung von der Hebamme die Nottaufe, „theils war es sehr schwächlich erschienen, teils weil kein … zu bekommen gewesen …“ Wegen der Kriegsereignisse (Siebenjähriger Krieg 1756-1763), die französische Armee hatte 1759 unsere Gegend passiert, waren die Eltern des Kindes geflüchtet und hatten sich nun „wieder daselbst eingefunden“.

Siebenjähriger Krieg

Dazu lesen wir im Heimatbuch von Peter Grebe: „Auch der Siebenjährige Krieg trug seine Schrecken in das Dorf. Nachdem es Ferdinand von Braunschweig 1759 nicht gelungen war, am Karfreitag bei Bergen die Franzosen aus Frankfurt herauszuschlagen, folgten ihm die Franzosen bis in unsere Gegend. Der Pfarrer Johann Heinrich Schwaner hat in das Kirchenbuch folgenden Eintrag gemacht: „Den 8. Juni passierte die große Contard’sche Armee bei diesem Orte vorbei und schlug ihr Lager bei Sachsenberg auf, welches sich bis in unsere Felder beim Hermannsberg erstreckte; nicht nur das Sachsenberger Kornfeld wurde gänzlich abfouragiert, sondern eben dieses Schicksal begegnete auch unserem Orte Viermünden und Oberorke, daß die wenigsten Einwohner Korn einzuernten bekamen. Die Unruhen dauerten einige Wochen, daß auf das Trinitatisfest der Gottesdienst an keinem Ort konnte gehalten werden, und da die französische Armee den 14. August völlig geschlagen wurde, so wurde sie von den alliierten Armeen unter Anführung des Herzogs Ferdinand verfolgt, und auf diesem Rückzuge begegnete diesem Ort wieder das betrübte Schicksal, daß das Lager der Alliierten bei diesen Ort zu stehen kam, da denn auch die Sommerfrüchte nebst Gemüse abfouragiert wurden, daß also dieser Ort in diesem Jahr von seinem sonst zu hoffenden großen Segen nichts eingeerntet bekommen. Gott aber hat in diesem Jahr für uns gesorgt, daß niemand ein Mangel an Brot gehabt.“

Eine weitere späte Eintragung zu der Familie Pluns findet sich 1772 im Kirchenbuch von Viermünden, hier wird als Verwalter (des Gutes und des Hofes Hermannsberg) Gideon Pluns genannt. Im Archiv des Frankenberger Heimatmuseums liegen jedoch auch unmittelbare schriftliche Zeugnisse über die Verwalterfamilie Pluns, so auch zwei umfangreiche Pachtverträge („Pachtcontracte“) über den Hof Hermannsberg für die Jahre 1757-1763 mit Henrich Christian Pluns und Anna Margaretha Plunsin gebohrene Vaupelin und für die Jahre 1769-1778 mit Gideon Pluns und Annamargaretha Plunsin und der allgemeine Schriftverkehr der Gutsverwaltung Viermünden aus dieser Zeit.

Die Bewirtschaftung des Hofes um 1778

In den Akten der Landgräflichen Gutsverwaltung Viermünden findet sich auch eine Handnotiz über die Nutzflächen der Herrschaftlichen Vorwerke „Viermünden“ und „Hermannsberg“. Das Papier enthält zwar kein Datum, kann aber doch den Jahren 1777-1780 zugeordnet werden, weil die Art und das Aussehen des Papiers und dessen Beschriftung mit anderen Schriftstücken aus dieser Zeit identisch ist. Interessant sind die Einzelangaben. In der „Nota“ der herrschaftlichen Gutsverwaltung werden beide Höfe mit ihren Bewirtschaftungsdaten nacheinander dargestellt.

Für das Vorwerk Viermünden wird Pachtgeld von 674 rt, 12 alb sowie weitere 80 rt angegeben. Für Hermannsberg fehlt dieser Wert.

Dafür erhalten wir Informationen über den Personalbestand des Hofes. Es werden genannt: 2 Knechte, 2 Mägde, 1 Schäfer, 1 „Kuhhierth“ und die „Haußhaltung“.

Daneben wurden auch Tagelöhner beschäftigt, insbesondere zur Zeit der Ernte. So ist im Taufbuch von Viermünden von 1751 festgehalten, daß die Mutter des Täuflings Jost Reinhard Weißhaupt aus Oberorke ihr Kind auf Hermannsberg geboren hat, während sie dort im Ernteeinsatz war. Es heißt im Kirchenbucheintrag u.a. „Diese Dirne gehet eodem des morgens nach Hermannsberg, daselbsten Korn helfen zu schneiden. Des Nachts bekommt sie ohne assistence eines Mensch das Kind, den 17. Dito habe sie cosam presbyterio examiniert, aber … sie wäre nicht schwanger.“

Sicher hat es sowohl aus Viermünden als auch aus den umliegenden Ortschaften immer wieder Tagelohnarbeiter auf Hof Hermannsberg gegeben.

Eine neue Idee: Verwandlung der Meyerey Hermannsberg in eine Colonie

Ausgangs des 18. Jahrhunderts werden bereits Überlegungen hinsichtlich einer möglichen anderweitigen Nutzung des Hofes Hermannsberg und anderer landgräflicher Besitzungen angestellt. In diesem Sinne unterbreitet der Hessensteiner Rentmeister Vietor für die herrschaftlichen Besitzungen im Amt Hessenstein mit dem Gericht Viermünden am 15. November 1774 der landgräflichen Verwaltung in Kassel entsprechende Vorschläge. In der Antwort der „Kriegs- und Domainen-Cammer in Cassel vom 12. Decembris 1777“ kommt u.a. zum Ausdruck, daß „In Ansehung der mit in Vorschlag gekommenen Meyerey Hermannsberg aber haben Wir revolviert, daß es vorerst während der jetzigen Pachtzeit in Status quo zwar auch damit gelaßen werden sollte: Jedoch käme es darauf an, ob nicht solche mit der Zeit vereintzelt und, gleich mit dem Hof Rodenbach, Amts Frankenberg, geschehen, an 2,3 oder wie viele Unterthanen, mit billigmäßiger Erhöhung oder doch Beybehaltung des jetzigen locarie überlaßen werden könne? Ihr habt also hierüber Euren gutachtlichen Bericht in Unterthänigkeit zu erstatten.“

Die Anlegung bäuerlicher Siedlungen (Kolonien) durch Landgraf Friedrich II. unter teilweiser Verwendung der hohen Einnahmen aus der Teilnahme hessischer Soldaten am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1763-1783), die auf Seiten der Engländer kämpften, ist sehr genau belegt. Der Überschuß von 12000000 Talern blieb nicht in der persönlichen fürstlichen Kasse hängen, sondern floß in den Städtebau und die Kultur und die schon erwähnten Kolonien. So ist in unserer Heimat neben dem im Brief der „Kriegs- und Domainen-Cammer in Cassel“ erwähnten Hof Rodenbach auch Friedrichshausen als „Kolonie“ im Jahr 1777 begründet worden.

Vier Interessenten aus Sachsenberg und Münden

Die in den Jahren 1777-1780 geführte „Acta ‘Die Verwandlung der Meyerey Hermannsberg zu einer Colonie betreffend’ „ enthält allerdings nur einige wenige Schriftstücke zu diesem Thema. Offenbar kamen die Interessenten für eine solche Ansiedlung aus Sachsenberg (und Münden) „im Waldeckschen“. Es werden uns genannt: Der Tuchmacher Johann Henrich Valentin, der Zimmermeister Johann Andreas Senne, der Wagner Johannes Raabe und der Strumpfweber Christoph Taute.

Am 8. April 1778 wird dazu über die Vermögensverhältnisse der Antragsteller berichtet. Valentin ernähre sich als Tagelöhner. Der Zimmermeister Johann Andreas Senne ist als „preußischer Deserteur nach Sachsenberg gekommen und hat sich daselbst als Tagelöhner bisher ernährt und besitzet kaum … in seinem ganzen Vermögen“. Der Wagner Johannes Raabe ist „Fuhrmann gewesen und hat auch die Straße gefahren, durch sein liederliches Betragen aber sein und seiner Frau Vermögen darbey zuge… sollte sich auch noch dem Trunke ergeben, folglich kein Vermögen mehr besitzen und sich nunmehro mit Tagelohne ernären“. Schließlich wird zu dem Strumpfweber Taute bemerkt, daß dieser auch keine eigene Wohnung und nur ein ganz geringes Vermögen besitze.

Es bleibt zunächst bei der Verpachtung des Hofes

Abschließend wird die Empfehlung ausgesprochen, es bei der noch drei Jahre laufenden Verpachtung der „Meyerey Hermannsberg“ zu belassen und die Verwandlung zu einer Colonie nicht zu verwirklichen. Die „Supplicanten“ würden mit ihrem Gesuch abgewiesen.

Ein letztes Blatt der Akte gibt Kunde von der ebenfalls ablehnenden Haltung der „Kriegs- und Domainen-Cammer in Cassel“ vom 7. Februar 1780; Ihr Inhalt:

„Unseren gnädigen Gruß zuvor – Liebe Getreuen!

Es steht dem von Tuchmacher Johann Henrich Valentin et cons. zu Sachsenberg und Minden untertänigst wiederholtem Suchen, daß ihnen die Meyerey Hermannsberg zu bebauen überlaßen werden möchte, nicht zu fügen, welches Ihr denenselben pro resolutione (Anm.: Beschluß) bekannt zu machen habt. Sind Euch in Gnaden gewogen. Cassel in der Kriegs- und Domainen Cammer, den 7. Februar 1780

Ad mandatum

speciale Serenißimi“

und nachfolgender Unterschrift. Damit war die Aufteilung des Hofes Hermannsberg für eine bäuerliche Siedlung zunächst einmal zu den Akten gelegt.

Verlagerung der Zuständigkeiten an das hessische Haus Rumpenheim, Ende des Hofes Hermannsberg 1806

Im Jahre 1784 werden das Gericht Viermünden, das Gut im Dorf, die Waldungen und der Hof Hermannsberg an den Prinzen Friedrich von Hessen zu Rumpenheim bei Hanau übergeben.

Kassel ist danach nicht mehr zuständig und es werden von Hanau aus neue Zielvorstellungen für den Hof Hermannsberg entwickelt. Der Viermündener Heimatforscher Heinrich Battefeld (verstorben am 18. Februar 2001) hat hierzu und vom Ende des Hofes Hermannsberg berichtet. Er stützt sich dabei auf die schon erwähnten Akten der ehem. landgräflichen Gutsverwaltung im Archiv des Frankenberger Heimatmuseums. Sein Beitrag vervollständigt das Bild vom ehemaligen Rittersitz Hof Hermannsberg. Heinrich Battefeld berichtet, wie es mit dem Hof Hermannsberg weiterging.

Aufforstung empfohlen

Oberforstmeister von Wildungen zu Marburg und Oberjägermeister Witzleben zu Kassel bereisen im Jahr 1803 den Viermündener Forst. Dabei wird auch der Hof Hermannsberg besichtigt, dessen Pächter alljährlich Gesuche um Pachtnachlaß einreicht. Man findet den dortigen mageren Boden in einer rauen, dem Wind ausgesetzten Hochlage für den Ackerbau ungeeignet und empfiehlt seine Aufforstung. Am 15. Juni 1803 schlägt von Wildungen vor, von den 227 Acker Land, Wiesen und Hudeflächen des Gutes, die Hälfte aufzuforsten, den Rest beim Gut zu belassen oder dem Viermündener Gut zuzuschlagen. Zunächst möchte er sechs Acker an der Bonnemilchshecke und ein Acker an der Bergerhude mit Kiefernsamen einsäen, wobei er die Aussaat persönlich überwachen würde. Als Entschädigung für den Pächter Oswald für diese sieben Acker schlägt er zwei bis drei Thaler vor, da die Äcker bisher dem Oswald keinen Gulden eingebracht hätten.

Witzleben schlägt vor, das gesamte Vorwerk aufzuforsten. Flächen, die nicht mit Nadelholz besamt werden können, sollen in Ruhe gelassen, die Schafhaltung verboten, kein Rindvieh gehütet werden. Durch Samenanflug würde sich in wenigen Jahren Bewuchs einstellen, vorwiegend durch Birken. Die Gebäude sollen auf Abbruch verkauft, das ganze Gebiet in strenge Hegung und Schonung gelegt, die „ausländische Grenze“ mit einem Waldgraben versehen werden. Allenfalls sollen die Gebäude zur Probe einem Forstläufer zugewiesen werden, der seine drei Stück Rindvieh absolut im Stall zu füttern hätte. Man könne ihm den Garten und zehn Acker der besten nächstgelegenen Felder einräumen, daß andere aufforsten.

Durchlaucht sehr geneigt

In einem neuen Gutachten vom 1. Oktober 1803 schlägt von Wildungen vor, statt der sechs Acker zunächst zweieinhalb Acker auszusäen, daneben aber auf besserem Boden einen kleinen Forstgarten anzulegen, dessen Pflänzlinge etwa im dritten Jahr verpflanzt werden sollen. Sekretär Bock in Hanau berichtet am 8. Oktober 1803, daß Seine Hochfürstliche Durchlaucht sehr geneigt seien, die vorgeschlagenen Veränderungen durchzuführen. Für eine solche Veränderung hält er die Einwilligung des Lehnhofes für erforderlich.

Auf Abbruch verkauft

Im Januar 1895 berichtet der Rentmeister Pluns zu Viermünden nach Hanau, daß der Pächter Oswald seinen Rückstand aus 1803 und das Pachtgeld für 1804 nicht bezahlt hat und auch nicht bezahlen kann. Er sieht sich genötigt, diesen Mann aus der Pacht zu setzen. Pluns fragt an, ob der Hof neu verpachtet werden soll, für welche Zeit, oder ob der Hof gänzlich eingezogen werden soll. Ein guter Pächter würde nicht aufzufinden sein. Auch wären die Gebäude in einem sehr schlechten Zustand.

Am 9. Februar 1805 berichtet von Wildungen: Die Nadelholzaussaat auf sechs Acker gedeiht, eine endgültige Beurteilung ist aber noch nicht möglich. Er empfiehlt die weitere Aufforstung, da der Pächter Oswald nicht bestehen könne. Die Gebäude sollten auf Abbruch verkauft und nicht, wie früher vorgeschlagen, einem Forstläufer übertragen werden, um die Unterhaltung einzusparen. Das traurige Schicksal des wirklich bedauerungswürdigen Pächters Oswald müßte erleichtert werden.

Lehnsherrliche Einwilligung

Witzleben gratuliert am 9. März 1805 Durchlaucht, daß der Plan zur Umwandlung des Hofes Hermannsberg zu Wald zur Reife gelangt sei. Er weist noch einmal darauf hin, daß die nicht sofort für Nadelholz vorgesehenen Flächen sich durch natürlichen Anflug, besonders von Birken, bewachsen werden, wenn dort kein Vieh gehütet wird. Da sich aber auch „häufiges Gras“ einfinden wird, erscheint eine Bewohnung der Hermannsberger Gebäude durch einen Forstläufer ratsam „bei der Neigung der daselbst anstoßenden Gemeinden zu Freveln aller Art“. Schließlich sieht er aber auch in dem Vieh des Forstläufers eine Gefahr für den Wald und empfiehlt den Abbruch der Gebäude.

Rentmeister Pluns in Viermünden wird am 16. März 1805 aus Hanau aufgefordert, vorzuschlagen, wie dem armen verunglücken Oswald geholfen werden kann. „Nachdem Seine Kurfürstliche Durchlaucht geruht haben, zu der vorhabenden Umwandlung des Meyerhofes Hermannsberg, Gericht Viermünden, zu Waldung, Höchst dero Lehnsherrliche Einwilligung gebetenermaßen gnädigst zu ertheilen“, teilt dies die Kurf. Hess. Regierung in Kassel am 31. August 1805 dem Landgrafen Friedrich in Rumpenheim mit.

Versteigerung vorbereiten

Am 3. Dezember 1805 schreibt Rath Kuchenbecker, Frankenberg, an Rentmeister Pluns, Viermünden: Er sei beauftragt, zusammen mit Pluns die Versteigerung der Gebäude vorzubereiten. Sie soll am 8. Januar 1806 zu Viermünden abgehalten und in der Casselischen Commerzien Zeitung, im Frankenberger Amt, in Sachsenberg, Vöhl, Corbach, Arolsen, Medebach, Hallenberg, Winterberg und Battenberg bekannt gemacht werden. Einige Tage später übersendet Kuchenbecker die Bekanntmachung zur Mitunterschrift an Pluns. Da nach Medebach kein Postenlauf geht, soll er einen Boten schicken und den Botenlohn in Rechnung stellen. Am 15. Dezember schreibt Kuchenbecker, er solle einen Steuer-Extrakt über die Hermannsberger Wiesen. und den Hunstücksacker einschicken und beauftragt Pluns, „mit der morgenden Botenfrau das dortige Stück- und Lagerbuch nach Frankenberg zu schicken.“

„Nach Läutung der Glocke“ (der Gutshofglocke im Dorf) wird am 8. Januar 1806 der Termin zum öffentlichen Verkauf der Gebäude des Landgräflichen Hessischen Vorwerks Hermannsberg eröffnet. Den Kaufliebhabern wird mitgeteilt, daß bei einem annehmlichen Gebot der Zuschlag sofort erfolgen soll. Würden die Gebote nicht so hoch steigen, so soll wegen des Zuschlags zunächst bei Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht des Herrn Landgrafen Friedrich zu Hessen unterthänigst angefragt werden. Die Aufbietung soll in Thalern geschehen, den Thaler zu 20 Hessischen guten Groschen gerechnet. Die Käufer sollen die Gebäude bis zu Petritag stehen lassen, danach bald abbrechen. Das Kaufgeld soll vor Abbruch gezahlt werden; wird Sicherheit geleistet, wird das Geld bis vier Wochen nach Petritag geborgt. Auf Antrag der Kaufliebhaber wird festgesetzt, daß sie die Feuers-Gefahr bis zum Petritag nicht zu übernehmen haben. – Zum Verkauf kommen:

  • Das Wohnhaus, zwei Stockwerk hoch, 49 Fuß lang, 29 Fuß breit, nebst Fenstern, Ofen und Süddepot.
  • Stallung am Wohnhaus, ein Stockwerk hoch, 69 Fuß lang, 29 Fuß breit, mit Ausnahme der steinernen Krippen.
  • Die Scheuer, zwei Stockwerk hoch, 62 Fuß lang, mit der Scheuernleiter, jedoch ohne die darin befindlichen Dielen, des Scheuernseils und der Rolle.
  • Ein besonderer neuer Stall, zwei Stockwerk hoch, 41 Fuß lang und 16 Fuß breit, ohne die Schweine-Tröge.
  • Ein Backhaus, ein Stockwerk hoch, 29 Fuß lang und zwölf Fuß breit, mit dem Backofen.
  • Das Brunnenhäuschen, ohne Kette und ohne Eimer. Es wird ausdrücklich erwähnt, daß alle Gebäude mit Ziegeln gedeckt sind und sich in einem guten Zustand befinden.

Termin verschoben

Die im ersten Termin abgegebenen Gebote scheinen nicht die erhofften Summen gebracht zu haben, denn das Protokoll wird am 11. Januar 1806 an den Landgrafen eingeschickt. Ein zweiter Termin wird zunächst auf den 5. Februar festgesetzt. Inzwischen hat aber Oberforstmeister von Wildungen den Landgrafen darauf aufmerksam gemacht, „daß nach einer bekannten Landesordnung alte Gebäude ohne besondere Höchste Erlaubnis nicht ins Ausland verkauft werden dürfen und daß eine solche für die Hermannsberger Gebäude nötig sein dürfte“.

Sekretär Bock in Hanau teilt dies am 18. Januar dem Rath Kuchenbecker mit; dieser beantragt die Genehmigung am 22. Januar. Der zweite Termin wird auf den, 12. Februar 1806 verschoben und wieder in den genannten Orten bekannt gemacht. Für das Wohnhaus waren im ersten Termin von Staudinger, Thalitter, Christian Gülich, Neukirchen und Conrad Scheuermann aus Viermünden 100 bis 140 Thaler geboten worden; es geht im zweiten Termin für 141 Thaler an Staudinger. Für den Stall bieten beim ersten Termin Staudinger, Tobias Brügel und Heinrich Birkenhauer, beide von Geismar, 50 bis 70 Thaler; er geht für 75 Thaler an Staudinger. Für die Scheune bieten Staudinger, Gülich und Peter Battefeld aus Viermünden 100 bis 195 Thaler, sie geht im zweiten Termin nach zahlreichen Geboten an den Schutzjuden Aaron Israel aus Frankenberg für 223 Thaler. Für den besonderen Stall bieten Johannes Paulus und Christian Oberlies aus Viermünden sowie George Hofmann von Buchenberg 25 bis 40 Thaler, im zweiten Termin erhält ihn Johannes Paulus für 65 Thaler. Johannes Paulus, Viermünden, Daniel Groß und Jakob Schmidt, Schreufa, und Jakob Schüßler aus Buchenberg wollen das Backhaus ersteigern für 6 bis 17 Thaler es geht für 20 Thaler an Conrad Hillebrand aus Herzhausen, auch das Brunnenhäuschen findet einen neuen Besitzer; es ist zwar nicht für zwei bis sechs Thaler zu haben, aber für zehn Thaler erhält es Jacob Schäfer aus Buchenberg.

Um Rettung bemüht

Damit ist es um den Hof Hermannsberg geschehen, obwohl sich noch in letzter Minute mehrere Personen um seine Rettung bemüht hatten. – Johann Heinrich Schreck aus Viermünden bewirbt sich noch am 11. Januar 1806 beim Landgrafen, spricht von einer üblen Wirtschaft des Pächters Oswald, will die auf die Gebäude gebotene Summe an den Landgrafen zahlen sowie einen jährlichen Zins von 50 Thalern, wenn man ihm den Hof zu Erbleihe gibt. Er erwähnt, daß er ein bemittelter und tüchtiger Ackermann und somit diesem Gute ganz gewachsen sei und bezieht sich auf das Zeugnis des Rentmeisters Pluns.

Ebenso möchte Jost Heinrich Rohleder aus Viermünden den Hof in Erbleihe haben. Er bietet 500 Thaler, zuzüglich 60 Thaler jährlich. Er bittet, die Gebäude nicht abzubrechen, „da solcher Hof so lange Zeit noch bis jetzt als Grenz-Hof“ des Gerichts Viermünden bestanden hat.

Und schließlich teilt der Pächter Jacob Oswald am 24. Januar 1806 dem Landgrafen mit, daß er von der bewilligten Entschädigung von 50 Gulden jährlich nicht leben könne in den jetzt ohnehin „theuren schweren Zeiten“. Er möchte den Hof für einen Vorschuß von 400 Thalern zinslos und einer Pacht von jährlich 50 Thalern ebenfalls in Erbleihe nehmen, dazu will er die seit zehn Jahren vernachlässigten Gebäude auf seine Kosten instand setzen. Er weist darauf hin, daß es 50, 60 oder 100 Jahre dauern werde, bis der Landgraf aus der Aufforstung einen Erlös erzielen könne. Rentmeister. Pluns würde ihn, Oswald, tadeln, aber bei diesem Wechsel der Dinge seinen eigenen Profit suchen. Seit Jahren habe Pluns, eine Wiese in Gebrauch, die jährlich zwei Wagen Heu liefere und wieder an den Hof abzutreten sei.

Abgeschlossen

Das Gesuch trägt den eigenhändigen Vermerk des Landgrafen: „Abgeschlagen, da die Sachen schon alle besichtigt, die Felder zur Waldung bestimmt, auch dem Oswald eine Pension von 50 Gulden verwilligt, bis er sich eine andere Pachtung oder Anstellung ausgemacht und muß sich der Oswald erinnern, wie viele Jahre ich ihm Nachlaß gegeben und er bessere Versprechungen gemacht, daß er also die von mir gegebene Pension als eine große Gnade erkennen muß. Friedrich Landgraf zu Hessen-Cassel.“

So sind dann die gesamten Gebäude abgerissen und anderenorts wieder aufgebaut worden. Nur noch wenige Mauerreste erinnern seitdem an den ehemals stolzen Rittersitz Hermannsberg.

So weit der Heimatforscher Heinrich Battefeld.

Schluß

Dankenswerter Weise hat die Stadt Frankenberg auf Anregungen aus Viermünden in den Jahren 1988 und 1989 im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ein noch vorhandenes Kellergewölbe des Hofes Hermannsberg freigelegt, den Brunnen gefaßt und aufgemauert, so daß heute der Standort der abgebrochenen Gebäude wieder besser zu finden ist.

Eine im Staatsarchiv Marburg vorhandene Grenzkarte von 1734 zeigt den damaligen Grundriß des Hofes Hermannsberg und die umgebende freie Feldlage, die inzwischen zum Distrikt „Hermannsberg“ des Kreiswaldes Viermünden gehört. Die Karte ist in der nachfolgenden Abbildung zu sehen.

Autor: Hans-Otto Landau