1700-1800n.Chr.

1706 Damian Hugo von Viermund in Neersen wird vom Kaiser in den Reichsgrafenstand erhoben, Name geändert in Virmont.

1717 Georg Erhard von Dersch in Viermünden stirbt (27. Juni) nach einem Sturz vom Pferd, hinterläßt Frau und zwei minderjährige Töchter.

1718 Vertrag zwischen Landgraf Karl und der Fam. von Dersch: Das halbe Gericht und die Besitzungen der Dersch, ausgenommen der Hühnerhof (Henrichs), gehen an den Landgrafen.

Ein über den Begriff des „Gerichts zu Viermünden und sein Zubehör“ eingeholtes Responsum der Juristenfakultät zu Tübingen vom 13. Mai 1718 beschränkte zu Gunsten der dersichen Töchter das Lehnrecht auf die Gerichtsbarkeit zu Viermünden; weiteres sei 1393 dem Landgrafen nicht aufgetragen und nicht von ihm zu Lehen empfangen worden.

Der dersische Kurator bezeichnete als allodial: Das adelige Haus zu Viermünden mit Äckern, Wiesen, Gärten, Wäldern und Zehnten, das Gut Guntershausen bei Viermünden, die Höfe Treisbach, Schmengeberg, Hermannsberg, den Hof der Huhn zu Viermünden, das Rittergut Ellershausen. Als L e h e n wurde anerkannt: das mit dem Landgrafen gemeinschaftlich gehandhabte (Samt-) Gericht zu Viermünden, die hohe und niedere Kriminal- und Civiljustiz in den Dörfern Viermünden, Schreufa und Orke nebst den daraus fließenden Früchten und Diensten, die Samtgehölze mit der hohen und niederen Jagd, Mühlen- und Rottpacht, Weide- und Trifthämmel.

Der Advokatus fisci hingegen bestritt jedes Allod, denn die von Dersch hätten vor 1453 keinen Fuß breit Erde zu Viermünden besessen. Auch der Pfarrer Joh. Kasp. Schwaner und die Bauern glaubten, daß die Zeit der Abrechnung gekommen. Der Pfarrer reichte bei der Kommission am 12. Juni 1718 ein Verzeichnis von 12 der Kirche und Pfarrei im 16. Jahrhundert entwendeten Güter ein: der sog. Baumgarten, die von dem Dersch eingenommene Hofraithe, ein Acker an der Enste, darüber sich die Dersch und Viermund „gezankt“, eine Wiese in der Lache, ein Acker und die Glocke der Kapelle zu Schreufa, 1 Meste Aschhafer und 6 Albus Pfingstgeld vom Hermannsberg, welche Ph. Wilh. von Dersch der Kirche abgeschnitten usw. . Ebenso reklamierten die Bauern 26 ihnen nach und nach mit Gewalt entzogene und von ihnen in der Grundsteuer verhaltene Grundstücke, sowie 7 Kirchengrundstücke.

Dem Fürsten wurde ein ganzer Kasten voll derschischer Urkunden nach Cassel gesandt. Der Vertrag zwischen Landgraf und den Dersischen Erben wurde am 7. Oktober 1719 durch den Notar Jac. Konr. Reinhard aufgenommen, vom Pfarrer Kasp. Schwaner, sowie dem Ratsschöff David Barbe zu Frankenberg beglaubigt und von Landgraf Karl am 9. Oktober genehmigt. Als L e h e n und zum Gericht Viermünden gehörig wird anerkannt: die Civil- und Kriminaljustiz und die daraus fließenden Früchte, Dienste, die Gesamtgehölze, hohe und niedere Jagd, die Mühle, Pacht-, Rott-, Frucht- und andere Zinsen, Trifthämmel und Triftgelder, als a l l o d i a l: der huhnische Hof zu Viermünden.

Das nunmehr landgräfliche Gut war durch die Dersch teils durch Ankauf, teils durch Unrecht, namentlich durch Anrodung viermundscher allodialer Waldstücke, Einziehung von Kirchen- und bäuerlichen Rottländereien, sowie durch das seit dem 17. Jahrhundert wüste Guntershausen entstanden. Die von der Pfarrei und den Bauern reklamierten Grundstücke wurden vom Landgrafen nicht zurückgegeben.

1718 Der Landgraf gibt das halbe Gericht seiner Mätresse, der Marquise Jeanne Marguerite de Langalerie, einer Französin, zu Lehen, sogar mit dem Verbote an den Lehnhofspedellen, ein Trinkgeld von derselben anzunehmen.

1718 Graf Damian Hugo von Virmont zu Neersen leitet die kaiserlichen Friedensverhandlungen in Passarowitz mit den Türken nach dem Siege Prinz Eugens. Im gleichen Jahre bemüht er sich um Belehnung mit dem halbem Gericht Viermünden. 1719 reist er mit großem Gefolge als Großbotschafter nach Konstantinopel (heutiges Istanbul).

1720 Der Graf bewirbt sich erneut beim Landgrafen Karl um Belehnung mit dem halbem Gericht Viermünden, fügt 33 Urkunden bei.

1722 Der Graf stirbt in Siebenbürgen, erwähnt in seinem Testament auch „die im hessischen oder woher sonsten seyn mögen gelegenen, in stritt und process verfangenen uralten virmontischen Güter.“

1722 Die Französin gibt das Gericht zurück. Der Landgraf belehnt nun seinen Kammerpräsidenten Johann Reinhard von Dalwigk mit dem halbem Gericht.

1723 Dalwigk baut neue Mühle, Mühlengraben und Holzwehr.

1728 heiratet die Tochter Sophie Dorothea Renata des verstorbenen Georg Ehrhard von Dersch den Ernst Wilhelm von Drach; sie bekommt das adelige Gut zu Ellershausen und die Lengelmühle.

1731 heiratet die Schwester Juliane Charlotte Rosine von Drach den Bruder August Gottlieb von Drach. Sie erhält den Hof Treisbach und den Hühnerhof (Henrichs) zu Viermünden.

1729 Neubau der Kirche in Oberorke.

1732 Die von Drach bauen den Hof Treisbach neu.

1732 Graf Ambrosius Franz Friedr. Chr. Adalbert von Virmont zu Neersen wird Reichskammergerichtspräsident in Wetzlar.

1737 Joh. Reinhard von Dalwigk stirbt in Kassel und wird als Letzter in der Gruft unter der Kirche in Viermünden beigesetzt. Das halbe Gericht Viermünden geht an seine Tochter, Frau du Rosey, bis zu ihrem Tode 1740.

1742 Graf Ambrosius von Virmont bewirbt sich beim Landgrafen um Belehnung mit dem halben Gericht Viermünden.

1743 Appellation des Grafen an den Reichshofrat in Wien wegen der Belehnung.

1744 Graf Ambrosius von Virmont, der Letzte seines Geschlechts, stirbt in Wetzlar; beigesetzt im Dom.

Auch er ersucht den Landgrafen in seinen alten Tagen wieder um Belehnung mit dem Gericht Viermünden. Nachdem ihn Friedrich I., zugleich König von Schweden, mehrmals abschlägig bescheiden läßt, wendet sich der Graf an den Reichshofrat in Wien.

 

Am 19. November 1744, am Namenstag der jungen Gräfin von Virmont, gibt RKG-Präsident Philipp Karl Anton von Groschlag zu Wetzlar dieser zu Ehren eine Gesellschaft mit Maskenball, in welcher die junge Gräfin in dem ominös-schwarzen Kleide einer jungen Witwe erscheint. Nachdem der Kammerrichter, der alte Graf von Virmont, mit der Präsidentin einige Tänze getanzt, klagte er über Übelkeit und geht ins Freie, um sich abzukühlen, begehrt aber dann einen Wagen, um nach Hause zu fahren. Als er auf den Markt gekommen, fällt der Graf mit dem Seufzer: „Jesus, Maria, Joseph“, seiner jungen Gattin tot in den Schoß und wird am 21. November in der Stiftskirche zu Wetzlar begraben.

Die Frau von Groschlag, mit welcher der Graf den Todestanz getanzt, war eine geborene von Bicken und ebenwohl die letzte ihres Geschlechts, welches, wie schon der Chronist Gerstenberger bemerkt, dasselbe Wappen, wie die von Viermund, in alter Zeit geführt hatte. Mit dem Tode des Grafen erlosch sein ruhmvolles Geschlecht und mit ihm die viermündensche Güter- und Sukzessionsfrage, welche 182 Jahre lang nicht bloß das viermündensche Geschlecht bewegt, sondern auch fast alle Fürsten des westlichen Deutschland und ihre Regierungen, und sogar wiederholt die Kurfürsten von Brandenburg und die deutschen Kaiser beschäftigt hatte.

1754 Der Landgraf beauftragt den Rentmeister zu Hessenstein auch mit der Verwaltung des Gerichts Viermünden. Sein Name, Rentmeister Vietor, ist wegen des Kirchenumbaues 1770-1780 noch heute mehrmals an unserer Kirche vorhanden.

1770-1780 Kirchenumbau in Viermünden. Der heutiger Fachwerkaufsatz und Turmaufbau der Petri Kirche stammen aus dieser Zeit. Die Schmiedeeiserne Turmuhr wird in dieser Zeit schon erwähnt.

1776 Auf Anordnung der Regierung in Marburg muß der von den Franzosen 1759 verbrannte Galgen wieder aufgerichtet werden. Es wird der letzte Galgen sein. Sein Standort heißt noch heute „Auf dem Galgen.“

1784 Das halbe Gericht Viermünden und das Patronat über die Kirche gehen an den Landgrafen Friedrich von Hessen, den Begründer der Rumpenheimer Linie des Landgrafenhauses, die als einzige heute noch besteht (Landgraf Moritz in Kronberg/Taunus).